Affine Räume

affine Geometrie: Die dreidimensionale Alltagswelt ist koordinatenunabhängig. Objekte existieren ohne Koordinaten und es gibt kein vorgezogenes Koordinatensystem/keinen Ursprung. Um Punktmengen (Punkte haben nur Positionen) und Vektorräume (Vektoren haben nur Betrag und Richtung) zusammenzubringen, benutzt man affine Geometrie.

affiner Raum: Ein affiner Raum (A,V,) ist ein Tripel bestehend aus

  • einer nicht-leeren Menge A (Punktmenge),

  • einem Vektorraum (V,+,) (zugrundeliegender Vektorraum) und

  • einer Operation :A×VA, (a,v)av,

sodass folgende Bedingungen gelten:

  • aAa0=a (neutrales Element),

  • p,qA!v=:pqVpv=q (eindeutige Verbindungsvektoren) und

  • aAu,vV(au)v=a(u+v) (Assoziativität).

Dimension: Die Dimension von (A,V,) ist dimA:=dimV.

Beispiel: (H,R2,) mit der Ebene H:={(x,y,z)R3|x+y+z=1} durch (1,0,0), (0,1,0) und (0,0,1) ist ein affiner Raum mit Operation :H×R2H,
(x,y,1xy)(uv):=(x+u,y+v,1(x+u)(y+v)).

Lemma (Chasles-Identität): Für a,b,cA gilt ac=ab+bc.

Beweis: Mit b=aab gilt c=bbc=(aab)bc=a(ab+bc). Mit (2) von oben folgt ac=ab+bc.   ƒ

Wegen aa=0 (folgt aus a=a0) gilt insbesondere ba=ab.

Vektorraum als affiner Raum: Jeder Vektorraum V ist ein affiner Raum mit sich selbst als zugrundeliegender Vektorraum und der Vektoraddition als Verknüpfung, d. h. A:=V und :=+ (A wird als Menge ohne Operationen oder ausgezeichneten Punkt angesehen).

Beispiel: (Rn,Rn,) ist ein affiner Raum mit (x1,,xn)(v1vn):=(x1+v1,,xn+vn) (Punkte als Zeilenvektor, Vektoren als Spaltenvektor) und heißt affiner Standardraum.

affiner Unterraum: Sei (A,V,) ein affiner Raum. Eine Teilmenge UA heißt affiner Unterraum, falls es einen Unterraum WV und ein a0A gibt mit U={a0w|wW}.

In diesem Fall ist (U,W,|U×W) wieder ein affiner Raum der Dimension dimW.
Ein affiner Unterraum der Kodimension 1 heißt auch Hyperebene.

Beispiel: Für alle aA ist {a} ein affiner Unterraum von A der Dimension 0 (mit W:={0}).
A ist ein affiner Unterraum von A der Kodimension 0.

Affine Abbildungen

affine Abbildung: Seien (A1,V1,) und (A2,V2,) zwei affine Räume.
Eine Abbildung F:A1A2 heißt affine Abbildung, falls es eine lineare Abbildung f:V1V2 gibt mit a,bA1f(ab)=F(a)F(b).

Affinität: Eine bijektive affine Abbildung heißt Affinität/affiner Isomorphismus.

Lemma: F ist eine affine Abbildung genau dann, wenn es eine lineare Abbildung f:V1V2 gibt mit aA1vV1F(av)=F(a)f(v).

Beweis: „“: Seien aA1 und vV1 beliebig. Definiere b:=av. Dann gilt v=ab und daher f(v)=f(ab)=F(a)F(b)=F(a)F(av), also F(av)=F(a)f(v).

“: Seien a,bA1 beliebig. Definiere v:=ab. Dann gilt b=av und daher
F(b)=F(av)=F(a)f(ab), also f(ab)=F(a)F(b).   ƒ

Beispiel: Seien (A,V,) ein affiner Raum und v0V fest.
Dann ist F:AA, F(a):=av0 eine affine Abbildung (Parallelverschiebung).

Affinkombinationen

Lemma:
Seien (A,V,) ein affiner Raum, a1,,anA und λ1,,λnR mit i=1nλi=1.
Dann gilt für alle a,bA, dass ai=1nλiaai=bi=1nλibai.

Beweis: Es gilt ai=1nλiaai=ai=1nλi(ab+bai)=a(ab+i=1nλibai)
=(aab)i=1nλibai=bi=1nλibai.   ƒ

Affinkombination:
Seien (A,V,) ein affiner Raum, a1,,anA und λ1,,λnR mit i=1nλi=1.
Dann heißt für beliebiges aA der Punkt x=ai=1nλiaai Affinkombination der Punkte ai mit Gewichten λi (oder der gewichteten Punkte (ai,λi)).

Schreibweise: x ist nach dem Lemma unabhängig von der Wahl von aA. Daher schreibt man die Affinkombination x der gewichteten Punkte (ai,λi) auch als i=1nλiai (obwohl man die ai eigentlich nicht skalieren oder addieren kann).

Satz (affine Abbildungen erhalten Affinkombinationen):
Seien (A1,V1,) und (A2,V2,) zwei affine Räume und F:A1A2 eine affine Abbildung.
Dann gilt für a1,,anA1 und λ1,,λnR mit i=1nλi=1 die Gleichung
F(i=1nλiai)=i=1nλiF(ai), d. h. F erhält Affinkombinationen.

Beweis: Sei aA1 beliebig. Dann gilt F(i=1nλiai)=F(ai=1nλiaai)
=F(a)f(i=1nλiaai)=F(a)i=1nλif(aai)=F(a)i=1nλiF(a)F(ai)
=bi=1nλibF(ai)=i=1nλiF(ai) mit b:=F(a).   ƒ

Affine Koordinatensysteme

affines Koordinatensystem: Sei (A,V,) ein affiner Raum mit n:=dimV<.
Eine Familie (a0,,an) von n+1 Punkten in A heißt affines Koordinatensystem für A mit Ursprung a0, falls die Vektoren a0a1,,a0an in V linear unabhängig sind.

affine Koordinaten: Sei (a0,,an) ein affines Koordinatensystem von (A,V,).
Dann kann jedes xA dargestellt werden als x=a0(i=1nxia0ai) für eindeutige Skalare (x1,,xn)Rn, die in diesem Fall die (affinen) Koordinaten von x heißen.

Affine Transformationen

Satz (Fundamentalsatz der affinen Geometrie):
Seien (A1,V1,) und (A2,V2,) zwei affine Räume mit n:=dimV1=dimV2< und affinen Koordinatensystemen (a0,,an) bzw. (b0,,bn).
Dann gibt es genau eine affine Abbildung F:A1A2 mit i=0,,nF(ai)=bi.
F ist in diesem Fall eine Affinität.

Korollar: Alle affinen Räume derselben endlichen Dimension sind affin isomorph. Daher kann man jedes Problem der endl.-dim. affinen Geometrie im Standardraum (Rn,Rn,+) betrachten.

Satz (Struktur von affinen Abbildungen):
Seien A:=Rn der affine Standardraum und F:AA eine affine Abbildung.
Dann gibt es bRn und ARn×n, sodass xRnF(x)=bAx.

Beweis: Seien b:=F(0), f:RnRn eine lineare Abbildung, die F „zugrunde liegt“, und A die darstellende Matrix von f. Dann gilt F(x)=F(00x)=bf(0x)=(00b)f(0x)
=0(0b+f(0x))=0(0b+A0x) und damit 0F(x)=0b+A0x. Wegen 0y=y (weil 0y=y) für alle yRn gilt daher F(x)=b+Ax.   ƒ

Beispiele für affine Transformationen in R2:

  • Streckung: AS:=(sx00sy)

  • Drehung: AR:=(cosφsinφsinφcosφ)

  • Scherung: Ax:=(1cx01), Ay:=(10cy1)

Diese affinen Transformationen kommutieren i. A. nicht!

Beispiele für affine Transformationen in R2:

  • Streckung: AS:=(sx000sy000sz)

  • Drehung: ARx:=(1000cosφsinφ0sinφcosφ), ARy:=(cosφ0sinφ010sinφ0cosφ), ARz:=(cosφsinφ0sinφcosφ0001)

Euler-Winkel: Die Euler-Winkel sind drei unabhängige Parameter, mit denen die Orientierung eines Körpers im Raum beschrieben werden kann. Jede Drehung R kann beschrieben werden als R=Rz(γ)Rx(β)Rz(α) (x-Konvention (z,x,z)).

Gimbal Lock: Wenn β=0 ist, dann gibt es mehrere verschiedene Winkelpaare α,γ, die dieselbe Drehung beschreiben. Die Folge ist, dass man nicht um die y-Achse rotieren kann, ohne alle drei Winkel zu verändern. Diese Situation heißt Gimbal Lock.