Vektoren in der Ebene und im Raum

Vektorgrößen:  Viele physikalische Größen (wie Kraft oder Geschwindigkeit) haben nicht nur einen Betrag, sondern auch eine Richtung. Solche Größen nennt man Vektorgrößen. Sie können zusammengesetzt werden, sind frei beweglich und werden durch einen Pfeil in der Ebene oder im Raum dargestellt, wobei die Länge den Betrag der Größe angibt. Pfeile derselben Länge und Richtung, die sich nur im Anfangspunkt unterscheiden, repräsentieren denselben Vektor. Im Folgenden sei \(\eukl = \euklebene \text { oder } \euklraum \) die Menge der Punkte der Ebene oder des Raums.

Notation: \(d(A, B)\) Abstand der Punkte \(A\) und \(B\),   \((A, B)\) Verbindungsgerade durch \(A\), \(B\),   Geraden \(g, h\) sind parallel, falls sie in einer Ebene liegen und keinen Punkt gemeinsam haben oder falls sie gleich sind,   \(\strecke {AB}\) gerichtete Strecke mit Anfangspunkt \(A\) und Endpunkt \(B\)

verschiebungsgleich:  Die gerichteten Strecken \(\strecke {AB}\) und \(\strecke {CD}\) heißen verschiebungsgleich, falls es eine Parallelverschiebung gibt, die \(A\) in \(C\) und \(B\) in \(D\) überführt.

Lemma (Äquivalenzrelation der Translationen): Die Relation „verschiebungsgleich sein“ ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge der gerichteten Strecken in \(\eukl \).

Vektoren:  Die Äquivalenzklassen der Relation „verschiebungsgleich sein“ auf der Menge der gerichteten Strecken in \(\eukl \) heißen Vektoren. Ist \(\strecke {AB}\) eine gerichtete Strecke, so wird die Äquivalenzklasse \([\strecke {AB}] = \{\strecke {CD} \;|\; \strecke {CD} \text { und } \strecke { AB } \text { sind verschiebungsgleich}\}\) mit \(\vektor {AB}\) oder \(\vec {a}\) bezeichnet.
Die Länge \(|\vec {a}|\) des Vektors \(\vec {a} = \vektor {AB}\) ist durch \(|\vec {a}| = d(A, B)\) definiert.
Im Folgenden sei \(V\) die Menge der Vektoren in \(\eukl \).

Nullvektor:  Sei \(A\) ein Punkt von \(\eukl \). Dann ist \(\vec {o} = \vektor {AA}\) der Nullvektor. Er hat die Länge \(0\) und es ist \(\vec {o} = \vektor {BB}\) für alle \(B \in \eukl \). Die zugehörige Translation ist die Identität \(\id _\eukl \).

Addition von Vektoren:  Seien \(\vec {a}, \vec {b} \in V\). Wähle \(O \in \eukl \) und \(A, C \in \eukl \), sodass \(\vec {a} = \vektor {OA}\) und \(\vec {b} = \vektor {AC}\) ist. Die Summe \(\vec {a} + \vec {b} \in V\) ist dann definiert als \(\vec {a} + \vec {b} = \vektor {OC} \in V\).

Satz (Rechenregeln für die Vektoraddition): Die Addition geometrischer Vektoren ist assoziativ. Es gibt ein Nullelement \(\vec {o}\) und zu jedem Element \(\vec {a} \in V\) ein additiv Inverses \(-\vec {a} \in V\). Außerdem ist die Addition kommutativ.

skalare Multiplikation:  Seien \(\vec {a} \in V\) und \(\lambda \in \real \). Dann ist \(\lambda a \in V\) der Vektor, der die Länge \(|\lambda | |\vec {a}|\) hat und die dieselbe (bzw. entgegengesetzte) Richtung wie \(\vec {a}\) hat, wenn \(\lambda > 0\) (bzw. \(\lambda < 0\)) ist. Ist \(\lambda = 0\), so ist \(\lambda \vec {a} = 0 \cdot \vec {a} = \vec {o}\) der Nullvektor.

Satz (Rechenregeln für die skalare Multiplikation): \(1 \in \real \) ist ein Einselement bzgl. der skalaren Multiplikation. Die skalare Multiplikation ist assoziativ und skalar sowie vektoriell distributiv über der Addition von Skalaren.

Notation: Man kann eine Basis von \(\euklebene \) oder \(\euklraum \) wählen. Ist \(\vec {a} = \lambda \vektor {n_1} + \mu \vektor {n_2} \in V\) eindeutige Linearkombination der linear unabhängigen Vektoren \(\vektor {n_1}\) und \(\vektor {n_2}\) in \(\euklebene \), dann schreibt man oft \(\vec {a} = (\lambda , \mu )\). Analog schreibt man in \(\euklraum \) dann \(\vec {a} = (\lambda , \mu , \nu )\).

Die euklidische Ebene

Bemerkung: Im Folgenden sei \(V\) die Menge der Vektoren in \(\euklebene \), \(\vec {a}, \vec {b} \in V\) sowie \(\varphi = \sphericalangle (\strecke {OA}, \strecke {OB})\) der Winkel zwischen den Strecken \(\strecke {OA}\) und \(\strecke {OB}\).

Skalarprodukt:  \(\vec {a} \vec {b} = |\vec {a}| |\vec {b}| \cos \varphi \in \real \) ist das Skalarprodukt von \(\vec {a}\) und \(\vec {b}\).

Satz (Rechenregeln für das Skalarprodukt): Das Skalarprodukt ist i. A. nicht assoziativ. Ist \(\vec {a} = \vec {o}\) oder \(\vec {b} = \vec {o}\), dann ist \(\vec {a} \vec {b} = 0\). Das Skalarprodukt ist distributiv über der Vektoraddition und es gilt \(\vec {a} (\lambda \vec {b}) = (\lambda \vec {a}) \vec {b} = \lambda (\vec {a} \vec {b})\).

orthogonal:  Seien \(\vec {a}, \vec {b} \in V\) mit \(\vec {a}, \vec {b} \not = \vec {o}\).
Dann ist \(\vec {a} \orth \vec {b}\), falls \(\vec {a} \vec {b} = 0\), d. h. falls die Vektoren senkrecht aufeinander stehen.
Es gilt \(\vec {o} \orth \vec {a}\) für jeden Vektor \(\vec {a} \in V\) sowie \(\vec {a} \vec {a} = \vec {a}^2 = |\vec {a}| |\vec {a}| \cos 0 = |\vec {a}|^2\).

Orthogonalbasis:  Seien \(\vektor {n_1}, \vektor {n_2} \in V\) mit \(\vektor {n_1}, \vektor {n_2} \not = \vec {o}\).
Ist \(\vektor {n_1} \orth \vektor {n_2}\), dann ist \(\basis {B} = \{\vektor {n_1}, \vektor {n_2}\}\) eine Basis von \(V\), eine Orthogonalbasis.
Ist zusätzlich \(|\vektor {n_1}| = |\vektor {n_2}| = 1\), so heißt \(\basis {B}\) Orthonormalbasis (ONB) von \(V\).

Lemma (Skalarprodukt komponentenweise): Seien \(\{\vektor {n_1}, \vektor {n_2}\}\) ONB und \(\vec {a} = (a_1, a_2)\), \(\vec {b} = (b_1, b_2)\) bzgl. dieser Basis. Dann ist \(\vec {a} \vec {b} = a_1 b_1 + a_2 b_2\). Außerdem ist \(|\vec {a}| = \sqrt {\vec {a} \vec {a}} = \sqrt {a_1^2 + a_2^2}\).

Gerade:  Seien \(\vec {a}, \vec {b} \in V\).
Die Gerade durch \(\vec {a}\) in Richtung \(\vec {b}\) ist die Menge \(g = \{\vec {x} \;|\; \vec {x} = \vec {a} + \lambda \vec {b},\; \lambda \in \real \}\).
Parameterdarstellung: \(g = \{(x, y) \in V \;|\; x = x_1 + \lambda x_2,\; y = y_1 + \lambda y_2,\; \lambda \in \real \}\) mit \(\vec {a} = (x_1, y_1)\), \(\vec {b} = (x_2, y_2)\) bzgl. einer ONB \(\{\vektor {n_1}, \vektor {n_2}\}\) von \(\euklebene \)
Hessesche Normalform: \(\vec {x} \vec {a} = d\), wobei \(d \in \real \) und \(\vec {a}\) senkrecht zur Gerade und \(|\vec {a}| = 1\) ist,
alternativ \(ax + by = d\) mit \(\vec {a} = (a, b)\) und \(\vec {x} = (x, y)\).

Satz (Hessesche Normalform): Zu jeder Geraden \(g\) in \(\euklebene \) existieren \(a, b, d \in \real \), sodass
\(g = \{(x, y) \in V \;|\; ax + by = d\}\) ist, wobei \(a, b \not = 0\). Die Konstanten \(a, b, d\) sind bis auf einen gemeinsamen Faktor eindeutig bestimmt. Ist \(\sqrt {a^2 + b^2} = 1\), so ist \(|d|\) der Abstand von \(g\) zum Ursprung. Andernfalls ist \(|d|\) gleich diesem Abstand multipliziert mit \(\sqrt {a^2 + b^2}\).

Folgerung: Seien \(ax + by = d\) Hessesche Normalform der Gerade \(g\) mit \(\sqrt {a^2 + b^2} = 1\) und \(P = (x_0, y_0) \in V\) ein Punkt. Dann ist \(e = |ax_0 + by_0 - d|\) der Abstand von \(g\) zu \(P\).

Satz (Schnittpunkt zweier Geraden): Der Schnittpunkt \(P = (x, y)\) zweier Geraden \(g_1, g_2\) mit den Gleichungen \(g_1: a_1 x + b_1 y = d_1\) und \(g_2: a_2 x + b_2 y = d_2\) ist die Lösungsgesamtheit des LGS dieser zwei Gleichungen, falls Lösungen existieren. Andernfalls sind \(g_1\) und \(g_2\) parallel.

Der euklidische Raum

Bemerkung: Im Folgenden sei \(V\) die Menge der Vektoren in \(\euklraum \) und \(\vec {a}, \vec {b} \in V\). In \(\euklraum \) kann man ebenfalls ein Skalarprodukt analog zu \(\euklebene \) definieren, dieses erfüllt dann dieselben Rechenregeln.
\(\basis {B} = \{\vektor {n_1}, \vektor {n_2}, \vektor {n_3}\}\) heißt analog Orthogonalbasis von \(V\), falls \(\vektor {o} \not = \vektor {n_1}, \vektor {n_2}, \vektor {n_3} \in V\) sowie \(\vektor {n_1} \orth \vektor {n_2}\), \(\vektor {n_1} \orth \vektor {n_3}\) und \(\vektor {n_2} \orth \vektor {n_3}\). Ist zusätzlich \(|\vektor {n_1}| = |\vektor {n_2}| = |\vektor {n_3}| = 1\), so heißt \(\basis {B}\) Orthonormalbasis (ONB).
Ist \(\vec {a} = (a_1, a_2, a_3)\), \(\vec {b} = (b_1, b_2, b_3)\) bzgl. einer ONB von \(V\), dann ist \(\vec {a} \vec {b} = a_1 b_1 + a_2 b_2 + a_3 b_3\).
Außerdem ist dann \(|\vec {a}| = \sqrt {a_1^2 + a_2^2 + a_3^2}\).

Gerade im Raum:  Seien \(\vec {a}, \vec {b} \in V\). Die Gerade \(g\) durch \(\vec {a}\) in Richtung \(\vec {b}\) ist die Menge \(g = \{\vec {x} \;|\; \vec {x} = \vec {a} + \lambda \vec {b},\; \lambda \in \real \}\). Ist \(\vec {a} = (x_1, y_1, z_1)\), \(\vec {b} = (x_2, y_2, z_2)\) bzgl. einer ONB von \(V\), dann ist die Parameterdarstellung von \(g\) gegeben durch \(g = \{(x, y, z) \in V \;|\; x = x_1 + \lambda x_2,\; y = y_1 + \lambda y_2,\; z = z_1 + \lambda z_2,\; \lambda \in \real \}\).

Lemma (parallele Geraden): Zwei Geraden sind parallel genau dann, wenn die Richtungsvektoren Vielfache voneinander sind.

Bemerkung: Will man den Schnittpunkt zweier Geraden berechnen, so muss man ein LGS lösen. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten: Entweder gibt es eine eindeutige Lösung (Schnittpunkt), unendlich viele Lösungen (Geraden sind gleich), keine Lösung und Geraden sind parallel oder keine Lösung und Geraden sind nicht parallel (windschief).

Ebene:  Seien \(P_i = (x_i, y_i, z_i)\) drei Punkte (\(i = 1, 2, 3\)), die nicht auf einer Geraden \(g\) liegen. Dann ist die Ebene durch \(P_1\), \(P_2\), \(P_3\) definiert durch
\(e = \{\vec {x} \;|\; \vec {x} = \vektor {x_1} + \lambda (\vektor {x_1} - \vektor {x_2}) + \mu (\vektor {x_1} - \vektor {x_3}),\; \lambda , \mu \in \real \}\), wobei \(\vektor {x_i} = \vektor {OP_i}\) für \(i = 1, 2, 3\) ist.
Entsprechend ist die Parameterdarstellung von \(e\) gegeben.

Bemerkung: Schneidet man zwei Ebenen, dann ist der Schnitt entweder eine Gerade (Schnittgerade), leer (parallele Ebenen) oder die Ebene selbst (Ebenen sind gleich).

Satz (Schnitt von Ebenen): Zwei verschiedene Ebenen schneiden sich entweder in einer Geraden oder gar nicht. Zwei Ebenen sind parallel genau dann, wenn die Richtungsvektoren der Ebenen dieselbe Ebene aufspannen. Eine Ebene geht durch den Ursprung genau dann, wenn der Aufpunkt der Ursprung ist.

Bemerkung: Hessesche Normalform: \(e: ax + by + cz = d\) mit \(\sqrt {a^2 + b^2 + c^2} = 1\), \(|d|\) ist der Abstand der Ebene zum Ursprung

Das vektorielle Produkt

Vektorprodukt:  Seien \(\vec {a} = (a_1, a_2, a_3)\), \(\vec {b} = (b_1, b_2, b_3)\) bzgl. einer ONB. Das Vektorprodukt \(\vec {a} \times \vec {b}\) von \(\vec {a}\) und \(\vec {b}\) ist der Vektor \(\vec {c} = (c_1, c_2, c_3)\) mit \(c_1 = a_2 b_3 - a_3 b_2\), \(c_2 = a_3 b_1 - a_1 b_3\) und \(c_3 = a_1 b_2 - a_2 b_1\).

Satz (Rechenregeln für das Vektorprodukt): Seien \(\vec {a}, \vec {b}, \vec {c}, \vec {d} \in V\) und \(r \in \real \). Dann ist
\(\vec {a} \times \vec {b} = -\vec {b} \times \vec {a}\),   \((\vec {a} + \vec {b}) \times \vec {c} = \vec {a} \times \vec {c} + \vec {b} \times \vec {c}\),   \(r(\vec {a} \times \vec {b}) = (r\vec {a}) \times \vec {b} = \vec {a} \times (r\vec {b})\),
\(\vec {a} \times \vec {b} = \vec {o} \;\Leftrightarrow \; \vec {a}, \vec {b}\) sind linear abhängig,   \(\vec {a} (\vec {a} \times \vec {b}) = 0 = \vec {b} (\vec {a} \times \vec {b})\),
\(\vec {a} (\vec {b} \times \vec {c}) = \vec {b} (\vec {c} \times \vec {a}) = \vec {c} (\vec {a} \times \vec {b})\),   \(\vec {a} \times (\vec {b} \times \vec {c}) = (\vec {a} \vec {c}) \vec {b} - (\vec {a} \vec {b}) \vec {c}\),
\(\vec {a} \times (\vec {b} \times \vec {c}) + \vec {b} \times (\vec {c} \times \vec {a}) + \vec {c} \times (\vec {a} \times \vec {b}) = \vec {o}\),   \((\vec {a} \times \vec {b})(\vec {c} \times \vec {d}) = (\vec {a} \vec {c}) (\vec {b} \vec {d}) - (\vec {a} \vec {d}) (\vec {b} \vec {c})\).

Satz (Vektorprodukt): Seien \(\vec {a}, \vec {b} \in V\) mit \(\vec {a}, \vec {b} \not = 0\). Dann ist \(\vec {a} \times \vec {b} \in V\) ein Vektor senkrecht zu \(\vec {a}\) und \(\vec {b}\), sodass \((\vec {a}, \vec {b}, \vec {a} \times \vec {b})\) ein Rechtssystem bilden, falls \((\vektor {n_1}, \vektor {n_2}, \vektor {n_3})\) ein Rechtssystem bilden. Dabei gilt \(|\vec {a} \times \vec {b}| = |\vec {a}| |\vec {b}| \sin \varphi \), wobei \(\varphi = \sphericalangle (\vec {a}, \vec {b})\) der (gerichtete) Winkel zwischen \(\vec {a}\) und \(\vec {b}\) ist. Außerdem ist \(|\vec {a} \times \vec {b}|\) der Flächeninhalt des von \(\vec {a}\) und \(\vec {b}\) aufgespannten Parallelogramms.

Folgerung: Sei \(e = \{\vec {x} \;|\; \vec {x} = \vektor {x_1} + \lambda (\vektor {x_1} - \vektor {x_2}) + \mu (\vektor {x_1} - \vektor {x_3}),\; \lambda , \mu \in \real \}\) eine Ebene, die in Parameterform gegeben ist. Dann ist \(\vec {a} = (\vektor {x_1} - \vektor {x_2}) \times (\vektor {x_1} - \vektor {x_3})\) Normalenvektor der Ebene. Ist \(\vec {b} = \vec {a} \cdot \frac {1}{|\vec {a}|}\) der normierte Normalenvektor, dann ist \(e: \vec {x} \vec {b} = \vektor {x_1} \vec {b}\) die Hessesche Normalform der Ebene \(e\).