Spektrum dicht definierter, linearer Operatoren

Bemerkung: Im Folgenden ist \(X\) ein \(\complex \)-Banachraum.

Resolventenmenge, -abbildung, Spektrum: 
Sei \(T\colon D(T) \rightarrow X\) ein dicht definierter, linearer Operator.

  • Die Menge \(\varrho (T) := \{\lambda \in \complex \;|\; \text {$\lambda -T\colon D(T) \rightarrow X$ bijektiv, $(\lambda -T)^{-1} \in \Lin (X)$}\}\) heißt
    Resolventenmenge von \(T\).

  • \(R\colon \varrho (T) \rightarrow \Lin (X)\), \(\lambda \mapsto R_\lambda := (\lambda -T)^{-1}\) heißt Resolventenabbildung von \(T\).

  • \(\sigma (T) := \complex \setminus \varrho (T)\) heißt Spektrum von \(T\).

Bemerkung: Ist \(T\) auch noch abgeschlossen und \(\lambda - T\) bijektiv, dann gilt \((\lambda -T)^{-1} \in \Lin (X)\) automatisch (Satz vom abg. Graphen für den abgeschlossenen, linearen Operator \((\lambda - T)^{-1}\)).

Bemerkung: Ist \(T\) nicht abgeschlossen, dann ist \(\varrho (T) = \emptyset \) bzw. \(\sigma (T) = \complex \). Daher interessiert man sich normalerweise nur für das Spektrum abgeschlossener Operatoren.

Satz (Eigenschaften): Sei \(T\colon D(T) \rightarrow X\) ein dicht definierter, linearer Operator. Dann gilt:

  • \(\varrho (T) \subset \complex \) ist offen.

  • \(\sigma (T) \subset \complex \) ist abgeschlossen.

  • Ist \(T\) nicht stetig, dann muss \(\sigma (T)\) nicht kompakt sein und es kann \(\sigma (T) = \emptyset \) gelten.

  • Die Resolventenabbildung \(R\colon \varrho (T) \rightarrow \Lin (X)\) ist holomorph und \(R_\lambda - R_\mu = (\mu - \lambda ) R_\lambda R_\mu \).

Der Satz von Hille-Yosida für Kontraktionshalbgruppen

Satz (Erzeuger von Kontraktionshalbgruppen):
Seien \((T(t))_{t \ge 0}\) eine Kontraktionshalbgruppe mit Erzeuger \(A\) und \(\lambda \in \complex \) mit \(\Re (\lambda ) > 0\).
Dann gilt:

  • \(\lambda \in \varrho (A)\)

  • \(\forall _{x \in X}\; (\lambda -A)^{-1} x = \int _0^\infty e^{-\lambda s} T(s) x \ds \)

  • \(\norm {(\Re \lambda ) (\lambda -A)^{-1}}_{\Lin (X)} \le 1\)

Bemerkung: Teil (2) kann man als Laplace-Transformation von \(s \mapsto T(s) x\) verstehen.

Satz (Satz von Hille-Yosida für Kontraktionshalbgruppen):
Ein linearer Operator \(A\) ist ein Erzeuger einer Kontraktionshalbgruppe genau dann, wenn
\(A\) dicht definiert und abg. ist, \((0, \infty ) \subset \varrho (A)\) gilt sowie \(\forall _{\lambda > 0}\; \norm {\lambda (\lambda -A)^{-1}}_{\Lin (X)} \le 1\) gilt.

Der Satz von Hille-Yosida für allgemeine C₀-Halbgruppen

Satz (Erzeuger von allg. \(\C _0\)-Halbgruppen):
Seien \((T(t))_{t \ge 0}\) eine \(\C _0\)-Halbgruppe mit Erzeuger \(A\), \(M \ge 1\) und \(\omega \in \real \) mit
\(\forall _{t \ge 0}\; \norm {T(t)}_{\Lin (X)} \le M e^{\omega t}\) und \(\lambda \in \complex \) mit \(\Re (\lambda ) > \omega \). Dann gilt:

  • \(\lambda \in \varrho (A)\)

  • \(\forall _{x \in X}\; (\lambda -A)^{-1} x = \int _0^\infty e^{-\lambda s} T(s) x \ds \)

  • \(\forall _{n \in \natural }\; \norm {(\Re \lambda - \omega )^n (\lambda -A)^{-n}}_{\Lin (X)} \le M\)

Bemerkung: Teil (2) kann man als Laplace-Transformation von \(s \mapsto T(s) x\) verstehen.

Satz (Satz von Hille-Yosida für allg. \(\C _0\)-Halbgruppen):
Ein linearer Operator \(A\) ist ein Erzeuger einer \(\C _0\)-Halbgruppe genau dann, wenn
\(A\) dicht definiert und abg. ist und es \(M \ge 1\) und \(\omega \in \real \) gibt mit \((\omega , \infty ) \subset \varrho (A)\) und
\(\forall _{\lambda > \omega } \forall _{n \in \natural }\; \norm {(\lambda - \omega )^n (\lambda -A)^{-n}}_{\Lin (X)} \le M\).
In diesem Fall erfüllt die erzeugte Halbgruppe \((T(t))_{t \ge 0}\) die Abschätzung
\(\forall _{t \ge 0}\; \norm {T(t)}_{\Lin (X)} \le M e^{\omega t}\).

Dissipative Operatoren

Dualitätsabbildung:  Sei \(X\) ein Banachraum. Dann heißt die Abbildung \(J\colon X \to \P (X’)\) mit \(J(x) := \{x’ \in X’ \;|\; \norm {x’}_{X’} = \norm {x}_X,\; x’(x) = \norm {x}_X^2\}\) Dualitätsabbildung von \(X\).

Bemerkung: Nach einer Folgerung aus dem Satz von Hahn-Banach gibt es zu jedem \(x \in X\) ein \(x’ \in X’\) mit \(\norm {x’}_{X’} = 1\) und \(x’(x) = \norm {x}_X\). Daraus folgt \(\norm {(\norm {x}_X x’)}_{X’} = \norm {x}_X\) und \((\norm {x}_X x’)(x) = \norm {x}_X^2\), d. h. \((\norm {x}_X x’) \in J(x)\). Insbesondere gilt \(J(x) \not = \emptyset \) für alle \(x \in X\).

Bemerkung: Für einen Hilbertraum \(X\) erhält man \(J(x) = \{\R x\}\) mit dem isometrischen Isomorphismus \(\R \colon X \to X’\), \(x \mapsto \innerproduct {\cdot , x}\) aus dem Rieszschen Darstellungssatz: Einerseits gilt \(\R x \in J(x)\). Andererseits folgt aus \(x’ \in J(x)\) mit \(y := \R ^{-1} x’ \in X\), dass \(\norm {y}_X = \norm {x}_X\) und \(\innerproduct {x, y} = \norm {x}_X^2\), d. h. \(\norm {x}_X^2 = \innerproduct {x, y} \le \norm {x}_X \norm {y}_X = \norm {x}_X^2\), nach C.-S. sind \(x\) und \(y\) linear abhängig, mit \(\innerproduct {x, y} = \norm {x}_X^2\) folgt \(y = x\) und damit \(x’ = \R x\).

Beispiel:

  • Für \(X = L^p\) mit \(p \in (1, \infty )\) ist \(J(f) \subset L^{p’} \cong (L^p)’\) ebenfalls immer einelementig, nämlich \(J(f) = \{g\}\) mit \(g(x) := \norm {f}_p^{2-p} \overline {f(x)} |f(x)|^{p-2}\) für \(f(x) \not = 0\) bzw. \(g(x) := 0\) für \(f(x) := 0\) (wenn man \((L^p)’\) mit \(L^{p’}\) mittels des konjugiert linearen, isometrischen Isomorphismus \(J_{p’}\colon L^{p’} \to (L^p)’\), \((J_{p’} f)(g) := \int g \overline {f} d\mu \) identifiziert).

  • Für \(X \in \{L^1, L^\infty , \C ^0([0, 1])\}\) ist \(J\) i. A. mengenwertig, z. B. gilt für \(X = \C ^0([0, 1])\), dass \(J(x \mapsto 1)\) isomorph zur Menge aller Wahrscheinlichkeitsmaße auf \([0, 1]\) ist.

dissipativ/akkretiv:  Sei \((A, D(A))\) ein linearer Operator.
\(A\) heißt dissipativ, falls \(\forall _{x \in D(A)} \exists _{x’ \in J(x)}\; \Re x’(Ax) \le 0\).
\(A\) heißt akkretiv, falls \(-A\) dissipativ ist.

Bemerkung: Für \(X\) Hilbertraum ist \(A\) dissipativ genau dann, wenn \(\forall _{x \in D(A)}\; \Re \innerproduct {Ax, x} \le 0\).

Satz (Charakterisierung von Dissipativität):
Ein linearer Operator \(A\) ist dissipativ genau dann, wenn \(\forall _{\lambda > 0} \forall _{x \in D(A)}\; \norm {(\lambda - A) x}_X \ge \lambda \norm {x}_X\).

Der Satz von Lumer-Phillips

Satz (Satz von Lumer-Phillips):
Ein linearer Operator \(A\) ist ein Erzeuger einer Kontraktionshalbgruppe genau dann, wenn
\(A\) dicht definiert und dissipativ ist und \(\lambda _0 - A\) für ein \(\lambda _0 > 0\) surjektiv ist.
(In diesem Fall ist \(\lambda - A\) für alle \(\lambda > 0\) surjektiv.)

Beispiel:

  • Seien \(X := \C ^0_0(\real ^n)\) und \(A := \Delta \) mit \(D(A) := \S (\real ^n)\). Dann ist \(\Delta \) dissipativ: Sei \(\varphi \in D(\Delta )\). Dann gibt es ein \(x_0 \in \real ^n\) mit \(|\varphi (x_0)| = \norm {\varphi }_X\). Mit \(\alpha := \overline {\varphi (x_0)} \in \complex \) und \(\ell := \alpha \delta _{x_0} \in X’\) gilt \(\ell \in J(\varphi )\), weil einerseits \(\norm {\ell }_{X’} = |\alpha | \norm {\delta _{x_0}}_{X’} = |\alpha | = |\varphi (x_0)| = \norm {\varphi }_X\) sowie andererseits \(\ell (\varphi ) = \alpha \varphi (x_0) = |\varphi (x_0)|^2 = \norm {\varphi }_X^2\). Außerdem gilt \(\Re (\ell (\Delta \varphi )) = \Re (\alpha \cdot (\Delta \varphi )(x_0)) \le 0\), da die reellwertige Funktion \(\psi := \Re (\alpha \varphi )\) bei \(x_0\) ihr Maximum annimmt, d. h. es gilt \(\forall _{j=1,\dotsc ,n}\; \frac {\partial ^2\psi }{\partial x_j^2}(x_0) \le 0\). Somit ist \(\Delta \) dissipativ.

  • Betrachte das Anfangs-RWP \(v_t = v_{xx}\) für \(t \ge 0\) und \(x \in [0, 1]\), \(v(0, x) = f_0(x)\) für \(x \in [0, 1]\) und \(v(t, 0) = 0 = v(t, 1)\) für \(t \ge 0\) (eindimensionale Wärmeleitungsgleichung). Dieses Problem kann man wie folgt in ein abstraktes Cauchy-Problem übersetzen: Seien \(X := \C ^0_0((0, 1))\), \(A := \frac {\partial ^2}{\partial x^2}\) mit dem Definitionsbereich \(D(A) := \C ^0_0((0, 1)) \cap \C ^2([0, 1])\) und \((u(t))(x) := v(t, x)\). Statt eine Lösung \(v\) des Anfangs-RWPs zu bestimmen, kann man eine Lösung \(u\colon [0, \infty ) \to X\) von \(u’ = Au\), \(u(0) = f_0\) bestimmen (jede Lösung \(u\) induziert eine Lösung \(v\), die Umkehrung gilt nicht). Eine Lösung \(u\) existiert, wenn \(A\) eine \(\C _0\)-Halbgruppe auf \(X\) erzeugt. Dies ist nach dem Satz von Lumer-Phillips in der Tat der Fall, denn:

    • \(A\) ist dicht definiert (wegen \(\overline {\C ^\infty _c((0, 1))}^{\norm {\cdot }_{\C ^0}} = X\)),

    • \(A\) ist dissipativ (wie in (a)) und

    • \(\id - A\) ist surjektiv, was äquivalent dazu ist, dass das RWP \(f - f’’ = g\) in \((0, 1)\) und \(f(0) = 0 = f(1)\) für alle \(g \in X\) eindeutig in \(D(A)\) lösbar ist (was man mithilfe von Fouriertransformation oder Regularitätstheorie zeigen kann).