Bemerkung: Das Ziel dieses Kapitels ist es, für die vier wichtigsten linearen PDEs die klassischen Lösungen und deren Eigenschaften zu bestimmen. Dabei werden Invarianzen ausgenutzt, um die PDE zu vereinfachen. Außerdem werden die PDEs zweiter Ordnung klassifiziert.

Advektionsgleichung

Konstante Advektionsgeschwindigkeit

Cauchyproblem für Advektionsgleichung:  Seien \(\Omega := \real ^d\), \(T := \infty \), \(\Omega _T := \Omega \times (0, T)\) \(b \in \real ^d\) die konst. Advektionsgeschwindigkeit und \(u_0 \in \C ^1(\Omega )\) der Anfangswert.
Das Problem, ein \(u \in \C ^1(\Omega _T) \cap \C ^0(\overline {\Omega _T})\) zu bestimmen mit \(\partial _t u + \div (bu) = 0\) in \(\Omega _T\) und \(u(\cdot , 0) = u_0\) in \(\Omega \), heißt Cauchyproblem für die Advektionsgleichung.

Bemerkung: Diese Form der Advektionsgleichung heißt Divergenzform/Erhaltungsform.
In der Literatur findet man auch \(\partial _t u + b \nabla u = 0\). Für \(b\colon \Omega \to \real ^d\) divergenzfrei (d. h. \(\div b = 0\)) sind beide Formen äquivalent, da \(\div (bu) = \cancel {(\div b) u} + b \nabla u = b \nabla u\).
Cauchyprobleme heißen auch Anfangswertprobleme (AWPs), im Gegensatz zu Anfangs-Randwertproblemen (ARWPs) oder Randwertproblemen (RWPs).

Satz (Translationsinvarianz): Sei \(u\) eine klassische Lösung des Cauchyproblems.
Dann gilt \(\forall _{(x, t) \in \Omega _T} \forall _{s \in (-t, T-t)}\; \frac {\d }{\ds } u(x + bs, t + s) = 0\).

Bemerkung: Die Linien \(\Gamma := \{(x_0 + bs, s) \;|\; s \in (0, T)\} \subset \Omega _T\), entlang denen eine klassische Lösung des Cauchyproblems konstant ist, heißen charakteristische Kurven oder Charakteristiken.

Satz (Ex./Eind. der Traveling-Wave-Lösung): Die Funktion \(u(x, t) := u_0(x - bt)\) ist die eindeutige Lösung des Cauchyproblems und heißt Traveling-Wave-Lösung.

Satz (\(L^\infty \)-Stabilität): Für \(u_0 \in \C ^1(\Omega ) \cap L^\infty (\Omega )\) gilt für die Lösung \(u\) des Cauchyproblems
\(\forall _{t \in (0, T)}\; \norm {u(\cdot , t)}_{L^\infty } \le \norm {u_0}_{L^\infty }\).

Satz (Maximum-/Minimumprinzip): Für \(u_0 \in \C ^1(\Omega ) \cap L^\infty (\Omega )\) gilt für die Lösung \(u\) des Cauchyproblems \(\forall _{(x, t) \in \Omega _T}\; \inf _{\overline {x} \in \Omega } u_0(\overline {x}) \le u(x, t) \le \sup _{\overline {x} \in \Omega } u_0(\overline {x})\).

Bemerkung: Die Lösung nimmt ihr Maximum/Minimum auf dem Rand \(\partial \Omega _T\) an.

Satz (st. Abh. von Anfangsdaten): Seien \(u, u’\) zwei Lösungen des Cauchyproblems zu den Anfangsdaten \(u_0, u_0’ \in \C ^1(\Omega ) \cap L^\infty (\Omega )\) mit identischem \(b\). Dann gilt
\(\forall _{t \in (0, T)}\; \norm {u(\cdot , t) - u’(\cdot , t)}_{L^\infty } \le \norm {u_0 - u_0’}_{L^\infty }\).

Satz (keine stetige Abhängigkeit von \(b\)): Es existiert keine \(t\)-abhängige Konstante \(C(t)\) mit \(\forall _{t \in (0, T)}\; \norm {u(\cdot , t) - u’(\cdot , t)}_\infty \le C(t) \norm {b - b’}\) für alle Anfangswerte \(u_0 \in \C ^1(\Omega ) \cap L^\infty (\Omega )\) mit \(\norm {u_0}_{L^\infty } \le 1\), wobei \(u, u’\) zwei Lösungen des Cauchyproblems zu identischem \(u_0\), aber unterschiedlichem \(b, b’ \in \real ^d\) sind.

Bemerkung: Damit existiert insbesondere keine \(t\)-unabhängige Konstante. Die Einschränkung \(\norm {u_0}_{L^\infty } \le 1\) ist erforderlich, weil die linke Seite mit \(\norm {u_0}_{L^\infty }\) skaliert. Der Satz zeigt, dass Transportprobleme ohne Diffusion bzgl. der Analysis unschöne Eigenschaften haben können und spezielle analytische Werkzeuge erfordern, z. B. neue Normen (Totalvariation) und Räume (BV-Räume, Räume von Funktionen beschränkter Variation).

Verallgemeinerung 1: Beschränktes Gebiet

Bemerkung: Ist \(\Omega \) beschränkt, so betrachte das ARWP \(\partial _t u + \div _x(bu) = 0\) in \(\Omega _T\), \(u(\cdot , 0) = u_0\) in \(\Omega \) und \(u = g\) auf \(\Gamma _\text {in} \times (0, T)\) mit Dirichlet-RBen (es sind aber auch Neumann-RBen oder gemischte RBen möglich). Dabei bezeichnet \(\Gamma _\text {in}\) den sog. Einflussrand \(\Gamma _\text {in} := \{x \in \partial \Omega \;|\; b^\tp n(x) < 0\}\) (die Stellen auf dem Rand, auf denen \(b\) in \(\Omega \) hinein zeigt).

Falls \(x - bt \notin \Omega \) ist, so gibt es einen Schnittpunkt der Charakteristik durch \((x, t)\) und dem Zylinderrand \(\partial \Omega \times [0, t)\). Der entsprechende Randwert wird in das Gebiet hineintransportiert, sodass man die Lösungsformel \(u(x, t) := u_0(x - bt)\) für \(\forall _{s \in (0, t)}\; x - bs \in \Omega \) und
\(u(x, t) := g(x - b\overline {t}, t - \overline {t})\) mit \(\overline {t} := \min \{s \in (0, t) \;|\; x - bs \in \partial \Omega \}\) sonst (\(s = \overline {t}\) ist die Zeitspanne, die man zurückgehen muss, damit \(x - bs\) auf dem Rand liegt).

Soll die Lösung zu allen Zeiten stetig auf \(\overline {\Omega }\) sein (d. h. \(u(\cdot , t) \in \C ^0(\overline {\Omega })\)), dann dürfen keine Randwerte auf \(\partial \Omega \setminus \Gamma _\text {in}\) vorgegeben werden. Außerdem müssen Randwerte auf verschiedenen Zusammenhangskomponenten von \(\Gamma _\text {in}\) kompatibel sein, sonst ist keine Stetigkeit oder gar Diffb.keit zu erwarten. Zusätzlich müssen Rand- und Anfangswerte miteinander kompatibel sein, um Stetigkeit/Diffb.keit der Lösung zu ermöglichen, z. B. ist \(\forall _{x_0 \in \Gamma _\text {in}}\; \lim _{x \to x_0} u_0(x) = g(x_0, 0)\) notwendig für \(u\) stetig.

Verallgemeinerung 2: Reaktions-/Quellterm

Bemerkung: Sei wieder \(\Omega := \real ^d\). Betrachte das AWP \(\partial _t u + \div (bu) = q\) in \(\Omega _T\) und \(u(\cdot , 0) = u_0\) in \(\Omega \) mit Quellterm \(q \in \C ^0(\Omega _T)\). Dann kann man die explizite Lösung durch Integration über die Charakteristik erhalten: \(u(x, t) := u_0(x - bt) + \int _0^t q(x + (s-t)b, s)\ds \) für \((x, t) \in \Omega _T\).

Verallgemeinerung 3: Allgemeine Anfangsdaten

Bemerkung: Auch unstetige Daten wie \(u_0(x) := \chi _{[-1,1]}(x)\) (für \(d = 1\)) sind physikalisch sinnvoll und die obige Lösungsformel ist auch wohldefiniert. Allerdings ist die resultierende Lösung nicht stetig diffb., d. h. keine klassische Lösung. Deswegen sind verallgemeinerte Lösungsbegriffe wie der einer schwachen Lösung sinnvoll (siehe nächstes Kapitel).

Verallgemeinerung 4: Nicht-lineare Konvektion

Bemerkung: Seien nun \(\Omega := \real \) und \(\Omega _T := \Omega \times (0, T)\). Betrachte die Konvektionsgleichung \(\partial _t u + \partial _x(f(u)) = 0\) in \(\Omega _T\) und \(u(\cdot , 0) = u_0\) in \(\Omega \) mit \(f \in \C ^2(\real )\) nicht-linear.

Zu einer Lösung \(u \in \C ^1(\overline {\Omega _T})\) sei \(\gamma \in \C ^1((0, T))\) mit \(\gamma ’(t) = f’(u(\gamma (t), t))\) und \(\gamma (0) = x_0 \in \Omega \)
(\(\gamma \) existiert nach dem Satz von Picard-Lindelöf, weil \(f’\) L.-stetig in \(u(\gamma (t), t) \in [u_\text {min}, u_\text {max}]\) ist).
Dann kann man zu \(u\) Charakteristiken \(\Gamma := \{(\gamma (t), t) \;|\; t \in [0, T)\}\) definieren.
Die Lösung \(u\) ist dann wieder konstant entlang Charakteristiken, da
\(\partial _t((\gamma (t), t)) \cdot \nabla _{(x,t)} u(\gamma (t), t) = (\gamma ’(t), 1) \cdot \left .(\partial _x u, \partial _t u)^\tp \right |_{(\gamma (t), t)} = (\partial _t u + \partial _x f(u))|_{(\gamma (t), t)} = 0\).
Wegen \(\gamma ’(t) = f’(u(\gamma (t), t))\) konstant (da \(u(\gamma (t), t)\) konstant) sind die Charakteristiken wieder Geraden, allerdings haben die Geraden i. A. jeweils eine andere Steigung \(\gamma ’(0) = f’(u_0(x_0))\).

Die Lösung \(u(x, t)\) ist wieder vollständig durch \(u_0\) definiert, falls die Charakteristiken \(\Omega _T\) überdecken, sich selbst aber untereinander nicht schneiden. Sonst ist die klassische Lösung i. A. nur bis zu einer endlichen Zeit wohldefiniert. Zwei Charakteristiken ausgehend von \(x_0, x_0’\) schneiden sich genau dann, wenn \(x_0 + f’(u_0(x_0)) \overline {t} = x_0’ + f’(u_0(x_0’)) \overline {t}\) für eine Zeit \(\overline {t} \in (0, T)\). Durch Umformung bekommt man \(\overline {t} = \frac {x_0’ - x_0}{f’(u(x_0)) - f’(u(x_0’))} = -\frac {1}{f’’(v)}\) für ein \(v\) zwischen \(u(x_0)\) und \(u(x_0’)\).
Weil \(\overline {t} \in (0, T)\) gilt, ist es hinreichend, dass \(T \le \inf _{v \in \real } \frac {1}{|f’’(v)|} = (\norm {f’’}_\infty )^{-1}\), damit sich keine Charakteristiken in \(\Omega _T\) schneiden.

Satz (lokale Existenz von klassischen Lösungen):
Seien \(f \in \C ^2(\real )\) und \(u_0 \in \C ^1(\Omega )\) mit \(\norm {f’’}_\infty , \norm {u_0’}_\infty < \infty \).
Dann gilt \(\forall _{\overline {x} \in \real } \exists _{\varepsilon > 0} \exists _{T > 0} \exists _{u}\; \big [\text {$u$ klassische Lösung auf $B_\varepsilon (\overline {x}) \times (0, T)$}\big ]\),
wobei die Lösung \(u(x, t) = u_0(x - tf’(u(x, t)))\) erfüllt.

Beispiel: Betrachte die Burgersgleichung \(\partial _t u + \partial _x (\frac {1}{2} u^2) = 0\), d. h. \(f(u) := \frac {1}{2} u^2\).

  • Verwendet man \(u_0(x) := x\), so erhält man \(u(x, t) = u_0(x - t u(x, t)) = x - t u(x, t)\)
    \(\iff u(x, t) = \frac {x}{t + 1}\) als Lösung, die sogar auf \(\real \times (0, \infty )\) definiert ist.

  • Verwendet man \(u_0(x) := -x\), so erhält man analog \(u(x, t) = \frac {x}{t - 1}\). Diese Lösung ist nur für \(T < 1\) wohldefiniert, weil sich alle Charakteristiken in \((x, t) = (0, 1)\) schneiden.

Trotz glatter Daten können sich also Unstetigkeiten entwickeln.

Poisson-Gleichung

Gleichung

Poisson-/Laplace-Gleichung:  Für \(\Omega \subset \real ^d\) heißt \(-\Delta u = 0\) in \(\Omega \) Laplace-Gleichung und für \(f\colon \Omega \to \real \) in \(\Omega \) heißt \(-\Delta u = f\) in \(\Omega \) Poisson-Gleichung.

Bemerkung: Lösungseindeutigkeit ist ohne weitere RBen nicht zu erwarten (\(u(x) + (c + dx)\) ist Lösung, wenn \(u\) Lösung ist). Lösungen der Laplace-Gleichung heißen auch harmonisch.

Satz (Rotationsinvarianz): Seien \(\Omega , f\) rotationssymmetrisch, d. h. es gibt ein \(O \in \real ^{d \times d} \setminus \{I_d\}\) orthogonal mit \(\Omega = O\Omega \) und \(f = f \circ O\), und \(u \in \C ^2(\Omega )\) eine klassische Lösung der Poisson-Gleichung. Dann ist auch \(v \in \C ^2(\Omega )\) mit \(v(x) := u(Ox)\) eine klassische Lösung.

Bemerkung: Es gilt Translationsinvarianz, d. h. ist \(t \in \real ^d \setminus \{0\}\) mit \(\Omega = \Omega + t\), \(f(\cdot ) = f(\cdot + t)\), dann ist auch \(v(x) := u(x + t)\) eine klassische Lösung. Die Translations-/Rotationsinvarianz gilt insbesondere für die Laplace-Gleichung, weil \(f \equiv 0\) translations-/rotationsinvariant ist.

Fundamentallösung der Laplace-Gleichung

Bemerkung: Es soll eine explizite Lsg. \(u \in \C ^2(\Omega )\) für die Laplace-Gleichung hergeleitet werden, wobei \(\Omega := \real ^d \setminus \{0\}\). Sei \(u\) rot.symm., d. h. es gibt \(v \in \C ^2((0, \infty ))\) mit \(u(x) = v(\norm {x})\) für alle \(x \in \Omega \). Dann folgt mit \(r := \norm {x}\), dass \(\partial _{x_i} u(x) = v’(r) \cdot \frac {x_i}{r}\), also \(\partial _{x_i}^2 u(x) = v’’(r) \cdot \frac {x_i^2}{r^2} + v’(r) \cdot \frac {r - x_i^2/r}{r^2}\). Ist \(u\) harmonisch, so gilt \(0 = \Delta u(x) = v’’(r) + v’(r) \cdot \left (\frac {d}{r} - \frac {1}{r}\right ) = v’’(r) + v’(r) \cdot \frac {d-1}{r}\), womit man die DGL \(v’’(r) + v’(r) \cdot \frac {d-1}{r} = 0\) für \(v(r)\) erhält. Sei \(v\) streng monoton, d. h. oBdA \(v’(r) > 0\), dann bekommt man \((\ln (v’(r)))’ = \frac {v’’(r)}{v’(r)} = \frac {1-d}{r}\). Daraus folgt \(\ln (v’(r)) = (1 - d)\ln (r) + \ln (a) = \ln (ar^{1-d})\) mit \(a > 0\). Man erhält die DGL \(v’(r) = ar^{1-d}\) mit Lösung \(v(r) = ar + b\) für \(d = 1\), \(v(r) = a\ln (r) + b\) für \(d = 2\) und \(v(r) = \frac {a}{(2-d) r^{d-2}} + b\) für \(d \ge 3\) mit \(b \in \real \).

Fundamentallösung:  Sei \(\Omega := \real ^d \setminus \{0\}\) mit \(d > 1\). Dann heißt die Funktion \(\Phi \in \C ^\infty (\Omega )\) mit \(\Phi (x) := -\frac {1}{2\pi } \cdot \ln (\norm {x})\) für \(d = 2\) und \(\Phi (x) := \frac {1}{(d-2)\omega _d} \cdot \frac {1}{\norm {x}^{d-2}}\) für \(d \ge 3\) Fundamentallösung der Laplace-Gleichung mit \(\omega _d := |\partial B_1(0)|\) der Oberfläche der Einheitssphäre in \(\real ^d\).

Bemerkung: \(\Phi \) hat in \(0\) eine Singularität und ist eine klassische Lösung der Laplace-Gleichung.

Lemma (Eigenschaften von \(\Phi \)):

  • \(\forall _{\varepsilon >0}\; \int _{B_\varepsilon (0)} \Phi (x)\dx < \infty \), \(\int _{B_\varepsilon (0)} \Phi (x)\dx \xrightarrow {\varepsilon \to 0} 0\)

  • \(\Phi \in L^1_\loc (\real ^d)\)

  • \(\Phi (\varepsilon e_1) \varepsilon ^{d-1} \xrightarrow {\varepsilon \to 0} 0\)

  • \(\forall _{\varepsilon >0}\; \int _{\partial B_\varepsilon (0)} \nabla \Phi (x) \cdot n\dsigma (x) = -1\)

Faltungslösung der Poisson-Gleichung

Satz (Faltung und Differentiation): Seien \(u \in L^1_\loc (\real ^d)\) und \(\phi \in \C ^m_0(\real ^d)\).
Dann gilt für die Faltung \(u \ast \phi \) mit \((u \ast \phi )(x) := \int _{\real ^d} u(x-y)\phi (y) \dy = \int _{\real ^d} u(y)\phi (x-y) \dy \), dass \(u \ast \phi \in \C ^m(\real ^d)\) mit \(\forall _{|\beta | \le m}\; \partial ^\beta (u \ast \phi ) = u \ast \partial ^\beta \phi \).

Satz (Faltungslösung): Seien \(\Omega := \real ^d\) mit \(d \ge 2\) und \(f \in \C ^2_0(\Omega )\).
Dann ist \(u := \Phi \ast f\) eine klassische Lösung der Poisson-Gleichung.

Mittelwerteigenschaft/Maximumprinzip harm. Funktionen

Mittelwert:  Für \(K \subset \real ^d\) mit \(0 < |K| < \infty \) und \(u \in L^1(K)\) ist \(\fint _K u(x) \dx := \frac {1}{|K|} \int _K u(x) \dx \) der Mittelwert von \(u\) auf \(K\). Analog ist für \(0 < |\partial K| < \infty \) und \(u \in L^1(\partial K)\) der Mittelwert von \(u\) auf \(\partial K\) definiert durch \(\fint _{\partial K} u(x) \dsigma (x) := \frac {1}{|\partial K|} \int _{\partial K} u(x) \dsigma (x)\).

Satz (Mittelwerte harm. Fkt.en):
Seien \(u \in \C ^2(\Omega )\) harmonisch, \(x \in \Omega \) und \(r > 0\) mit \(\overline {B_r(x)} \subset \Omega \).
Dann ist \(\fint _{B_r(y)} u(y) \dy = u(x) = \fint _{\partial B_r(x)} u(y) \dsigma (y)\).

Satz (Maximumprinzip für harm. Fkt.en):
Seien \(\Omega \subset \real ^d\) offen und beschränkt sowie \(u \in \C ^2(\overline {\Omega })\) harmonisch. Dann gilt:

  • \(u\) nimmt das Maximum auf dem Rand an, d. h. \(\max _{x \in \overline {\Omega }} u(x) = \max _{x \in \partial \Omega } u(x)\).

  • Wenn \(\Omega \) zusammenhängend ist und \(\exists _{x \in \Omega }\; u(x) = \max _{y \in \overline {\Omega }} u(y)\), dann ist \(u\) konstant auf \(\Omega \).

Bemerkung: Analog gelten folgende Verallgemeinerungen.

  • verallg. Max.prinzip:
    Für \(u \in \C ^2(\Omega ) \cap \C ^0(\overline {\Omega })\) mit \(-\Delta u = f \le 0\) nimmt \(u\) das Maximum auf dem Rand an.

  • verallg. Min.prinzip: wie eben mit \(-\Delta u = f \ge 0\) und Minimum

  • Vergleichsprinzip: Für \(u, v \in \C ^2(\Omega ) \cap \C ^0(\overline {\Omega })\) mit \(-\Delta u \le -\Delta v\) in \(\Omega \) und \(u \le v\) auf \(\partial \Omega \) gilt \(u \le v\) in \(\Omega \) (wähle \(w := u - v\) im verallg. Max.prinzip).

Eindeutigkeit und stetige Abhängigkeit beim Poisson-RWP

Satz (Eindeutigkeit): Seien \(\Omega \subset \real ^d\) offen und beschränkt, \(g \in \C ^0(\partial \Omega )\) und \(f \in \C ^0(\Omega )\).
Dann gibt es höchstens eine Lösung \(u \in \C ^2(\Omega ) \cap \C ^0(\overline {\Omega })\) des Poisson-RWPs
\(-\Delta u = f\) in \(\Omega \) und \(u = g\) auf \(\partial \Omega \).

Satz (st. Abh. von Randdaten): Seien \(u, u’ \in \C ^2(\Omega ) \cap \C ^0(\overline {\Omega })\) Lsg.en des Poisson-RWPs mit identischem \(f \in \C ^0(\Omega )\), aber unterschiedlichem \(g, g’ \in \C ^0(\partial \Omega )\). Dann gilt \(\norm {u - u’}_\infty \le \norm {g - g’}_\infty \).

Satz (st. Abh. von rechter Seite): Seien \(u, u’ \in \C ^2(\Omega ) \cap \C ^0(\overline {\Omega })\) Lösungen des Poisson-RWPs mit identischem \(g \in \C ^0(\partial \Omega )\), aber unterschiedlichem \(f, f’ \in \C ^0(\Omega )\).
Dann gilt \(\norm {u - u’}_\infty \le C \norm {f - f’}_\infty \) mit \(C := \frac {R^2}{2}\) und \(R := \sup _{x \in \Omega } \norm {x}\).

Regularität

Satz (\(\C ^\infty \)-Regularität): Seien \(\Omega := \real ^d\) und \(u \in \C ^2(\Omega )\) harmonisch. Dann ist \(u \in \C ^\infty (\Omega )\).

\(\varepsilon \)-Glättungskern:  Sei \(\eta \in \C ^\infty _0(\real ^d)\) definiert durch \(\eta (x) := c \exp \!\left (\frac {1}{\norm {x}^2 - 1}\right )\) für \(\norm {x} < 1\) und \(\eta (x) := 0\) sonst, wobei \(c \in \real \) mit \(\int _{\real ^n} \eta (x) \dx = 1\).
Dann ist für \(\varepsilon > 0\) der \(\varepsilon \)-Glättungskern \(\eta _\varepsilon \in \C ^\infty _0(\real ^d)\) definiert durch \(\eta _\varepsilon (x) := \frac {1}{\varepsilon ^d} \eta (x/\varepsilon )\).

Bemerkung: Es gilt \(\int _{\real ^d} \eta _\varepsilon (x) \dx = 1\) und \(\supp (\eta _\varepsilon ) = \overline {B_\varepsilon (0)}\).

Friedrichsglättung:  Für \(u \in L^1_\loc (\real ^d)\) und \(\varepsilon > 0\) heißt \(u_\varepsilon := u \ast \eta _\varepsilon \) Friedrichsglättung.

Lemma (Glättungseigenschaft): Es gilt \(u_\varepsilon \in \C ^\infty (\real ^d)\).

Diffusionsgleichung/Wärmeleitungsgleichung

Gleichung

Diffusionsgleichung/instat. Wärmeleitungsgleichung: 
Für \(\Omega \subset \real ^d\), \(T \in (0, \infty ]\) und \(\Omega _T := \Omega \times (0, T)\) heißt \(\partial _t u - \Delta u = 0\) in \(\Omega _T\) Diffusionsgleichung oder instat. Wärmeleitungsgleichung.

Bemerkung:
Für \(\Omega = \real ^d\) betrachtet man das Cauchy-Problem (AWP) mit Anfangswerten \(u(\cdot , 0) = u_0\) in \(\Omega \) und für \(\Omega \subsetneqq \real ^d\) das ARWP \(u(\cdot , 0) = u_0\) in \(\Omega \) und \(u(x, t) = g(x, t)\) für \((x, t) \in \partial \Omega \times (0, T)\).
Ebenfalls möglich ist \(\partial _t u - \Delta u = f\) in \(\Omega _T\) (inhomogene Gleichung).

Satz (Skalierungsinvarianz):
Seien \(\Omega := \real ^d\), \(T := \infty \) und \(u \in \C ^2(\Omega _T)\) eine klassische Lösung der Diffusionsgleichung.
Dann ist für \(\lambda \in \real \) auch \(u_\lambda \) eine klassische Lösung mit \(u_\lambda (x, t) := u(\lambda x, \lambda ^2 t)\).

Fundamentallösung/Faltungslösung der Diffusionsgleichung

Bemerkung: Die Fundamentallösung soll rot.inv. und selbstähnlich (\(u(x, t) = C(t, \lambda ) u(\lambda x, \lambda ^2 t)\)) sein und die Erhaltungseigenschaft \(\forall _{t > 0}\; \int _{\real ^d} u(x, t) \dx = 1\) erfüllen. Dafür ist der Ansatz
\(u(x, t) := \gamma (t) v(\frac {\norm {x}^2}{t})\) mit \(\gamma (t) > 0\) geeignet (selbstähnlich mit \(C(t, \lambda ) := \frac {\gamma (t)}{\gamma (\lambda ^2 t)}\)). \(\gamma \) ergibt sich aus \(1 = \gamma (t) \int _{\real ^d} v(\frac {\norm {x}^2}{t}) \dx = \gamma (t) t^{d/2} C_v\) mit \(C_v := \int _{\real ^d} v(\norm {x’}^2) \dx ’\). Für \(v\) benutzt man die PDE, also \(\partial _t u(x, t) = \gamma ’(t) v(s) - \gamma (t) v’(s) \frac {s}{t}\), \(\partial _{x_i} u(x, t) = \gamma (t) v’(s) \frac {2x_i}{t}\), \(\partial _{x_i}^2 u(x, t) = \gamma (t) \cdot (v’(s) \frac {2}{t} + v’’(s) \frac {4x_i^2}{t^2})\) und somit \(0 = \partial _t u(x, t) - \Delta u(x, t) = \gamma (t) (-v’(s) \frac {s}{t} - v’(s) \frac {2d}{t} - v’’(s) \frac {4s}{t}) + \gamma ’(t) v(s)\) mit \(s := \frac {\norm {x}^2}{t}\). Durch Einsetzen von \(\gamma (t)\) und \(\gamma ’(t) = -\frac {d}{2C_v t^{d/2+1}}\) erhält man \(0 = \frac {d}{2} v(s) + (s + 2d) v’(s) + 4s v’’(s)\). Diese ODE für \(v\) löst man mit dem Ansatz \(v(s) := be^{as}\) mit \(a, b \in \real \). Man bekommt dann \(0 = v(s) \cdot (s \cdot (4a + 1)a + (2a + \frac {1}{2})d) \iff a = -\frac {1}{4}\), also \(v(s) = be^{-s/4}\). Es gilt daher
\(C_v = \int _{\real ^d} be^{-\norm {x}^2/4} \dx = b (4\pi )^{d/2}\) sowie \(\gamma (t) = \frac {1}{b(4\pi t)^{d/2}}\) und \(u(x, t) = \frac {1}{(4\pi t)^{d/2}} e^{-\norm {x}^2/(4t)}\).

Fundamentallösung:  Seien \(\Omega := \real ^d\) und \(T := \infty \). Dann heißt die Funktion \(\Phi \in \C ^\infty (\Omega _T)\) mit \(\Phi (x, t) := \frac {1}{(4\pi t)^{d/2}} e^{-\norm {x}^2/(4t)}\) Fundamentallösung der Diffusionsgleichung/Wärmeleitungskern.

Bemerkung: \(\Phi \) ist eine klassische Lösung der Wärmeleitungsgleichung und erfüllt
\(\forall _{t > 0}\; \int _{\real ^d} \Phi (x, t) \dx = 1\) (Erhaltungseigenschaft) sowie \(\forall _{\beta \in \natural _0^{d+1}} \forall _{\delta > 0}\; \partial ^\beta \Phi \in L^\infty (\Omega \times [\delta , \infty ))\).
Allerdings gilt \(\lim _{t \to 0} \Phi (x, t) = 0\) für \(x \not = 0\), aber \(\lim _{t \to 0} \Phi (0, t) = \infty \), d. h. \(\Phi \notin \C ^0(\overline {\Omega _T})\). Insbesondere ist \(\Phi \) keine klassische Lösung des AWPs (erfüllt Anfangswert \(\delta _0\) im Distributionssinn). Eine klassische Lösung des AWPs erhält man mittels Faltung.

Satz (Faltungslösung):
Seien \(\Omega := \real ^d\), \(T := \infty \), \(u_0 \in L^\infty (\Omega )\) sowie \(u\colon \Omega _T \to \real \) mit \(u(\cdot , t) := \Phi (\cdot , t) \ast u_0\). Dann gilt

  • \(u \in \C ^\infty (\Omega _T)\),

  • \(u\) klassische Lösung der Wärmeleitungsgleichung und

  • für \(u_0 \in \C ^0(\real ^d)\), dass \(\forall _{\overline {x} \in \Omega }\; \lim _{(x, t) \to (\overline {x}, 0)} u(x, t) = u_0(\overline {x})\).

Bemerkung: Teil (1) gilt z. B. auch, wenn \(u_0\) unstetig ist. Dies nennt man den glättenden/regularisierenden Effekt der Diffusionsgleichung.
Wegen \(u(x, t) = \int _{\real ^d} \Phi (x - y, t) u_0(y) \dy \) und \(\Phi (x, t) > 0\) für alle \((x, t) \in \Omega _T\) trägt jeder Punktwert \(u_0(x)\) zu jedem späteren Wert \(u(x’, t)\) für \(t > 0\) bei, insbesondere auch, wenn \(x’\) beliebig weit von \(x\) entfernt und \(t\) beliebig klein ist. Man nennt dies unendliche Ausbreitungsgeschwindigkeit.

Eigenschaften der Lösung

Satz (\(L^\infty \)-Beschränktheit): Seien \(\Omega := \real ^d\) und \(u\) die Faltungslösung für die Anfangswerte \(u_0\).
Dann gilt \(\forall _{t > 0}\; \norm {u(\cdot , t)}_{L^\infty (\Omega )} \le \norm {u_0}_{L^\infty (\Omega )}\).

Satz (Eindeutigkeit für ARWPs): Sei \(\Omega \subset \real ^d\) ein Lipschitz-Gebiet.
Dann gibt es höchstens eine klassische Lösung des inhomogenen ARWPs
\(\partial _t u - \Delta u = f\) in \(\Omega _T\), \(u(\cdot , 0) = u_0\) in \(\Omega \) und \(u(x, t) = g(x, t)\) auf \(\partial \Omega \times (0, T)\).

Bemerkung: Die Aussage gilt ähnlich auch für Neumann-/Robin-RBen, aber sie sagt nichts über Existenz von Lösungen aus (z. B. mindestens Stetigkeit und Kompatibilität von \(u_0\) und \(g\) erforderlich).

Satz (Maximumprinzip): Sei u eine klassische Lösung des ARWPs \(\partial _t u - \Delta u = 0\) in \(\Omega _T\),
\(u(\cdot , 0) = u_0\) in \(\Omega \) und \(u(x, t) = g(x, t)\) auf \(\partial \Omega \times (0, T)\).
Dann nimmt \(u\) sein Maximum (und Minimum) auf dem parabolischen Rand
\(\Gamma := (\Omega \times \{0\}) \cup (\partial \Omega \times [0, T])\) an.

Konvergenz gegen die stationäre Lösung

Satz (Poincaré-Ungleichung): Sei \(\Omega \subset \real ^d\) ein Lipschitz-Gebiet. Dann gibt es eine kleinste Poincaré-Konstante \(c_p = c_p(\Omega ) > 0\) mit \(\forall _{w \in \C ^1_0(\Omega )}\; \int _\Omega w(x)^2 \dx \le c_p \int _\Omega \norm {\nabla w(x)}^2 \dx \)
(oder kurz \(\norm {w}_{L^2(\Omega )}^2 \le c_p \norm {\nabla w}_{L^2(\Omega )}^2\)).

Bemerkung: Die Poincaré-Ungleichung gilt bereits für \(w \in \C ^1(\Omega )\) mit \(w|_{\partial \Omega } = 0\).
Hat \(w\) keine Nullrandwerte, dann gilt die Poincaré-Ungleichung i. A. nicht mehr. Setzt man z. B. \(w(x) :\equiv c\) mit \(c \not = 0\), dann ist \(\int _\Omega w(x)^2 \dx = c^2 |\Omega | > 0\), aber \(\int _\Omega \norm {\nabla w(x)}^2 \dx = 0\).
Ein Beweis für \(\Omega = (0, 1)\) sieht wie folgt aus: Es gilt \(w(x) = \int _0^x w’(\xi ) \dxi \), weil \(w(0) = 0\). Nach Cauchy-Schwarz folgt \(|w(x)|^2 = |\int _0^x 1 \cdot w’(\xi ) \dxi |^2 \le (\int _0^x |1|^2 \dxi ) \cdot (\int _0^x |w’(\xi )|^2 \dxi )\)
\(\le x \cdot (\int _0^1 |w’(\xi )|^2 \dxi )\). Durch Integration folgt \(\int _0^1 |w(x)|^2 \dx \le (\int _0^1 x \dx ) \cdot (\int _0^1 |w’(\xi )|^2 \dxi )\)
\(= \frac {1}{2} \int _0^1 |w’(\xi )|^2 \dxi \), also ist \(c_p \le \frac {1}{2}\) für \(\Omega = (0, 1)\). (Genauer gilt \(c_p = \frac {1}{\pi ^2}\).)

Satz (Konvergenz gegen stationäre Lösung):
Seien \(\Omega \subset \real ^d\) ein Lipschitz-Gebiet, \(f\), \(g\) zeitunabhängig, \(u(x, t)\) klassische Lösung des inhomogenen ARWPs \(\partial _t u - \Delta u = f\) in \(\Omega _T\), \(u(\cdot , 0) = u_0\) in \(\Omega \) und \(u(x, t) = g\) auf \(\partial \Omega \times (0, T)\) sowie
\(\overline {u}(x)\) klassische Lösung des stat. Poisson-Problems \(-\Delta \overline {u} = f\) in \(\Omega \) und \(\overline {u} = g\) auf \(\partial \Omega \).
Dann konvergiert \(u\) exp. gegen \(\overline {u}\), genauer \(\forall _{t \in (0, T)}\; \norm {u(\cdot , t) - \overline {u}}_{L^2(\Omega )}^2 \le e^{-2t/c_p} \norm {u_0 - \overline {u}}_{L^2(\Omega )}^2\)
mit \(c_p = c_p(\Omega )\) der Poincaré-Konstanten von \(\Omega \).

Bemerkung: Man kann die Diffusionsgleichung auch verallgemeinern. Ist \(D > 0\) die Diffusionskonstante, dann betrachtet man \(\partial _t u - D\Delta u = 0\). Die allgemeine Fundamentallösung ist dann \(u(x, t) := \frac {1}{(4\pi Dt)^{d/2}} \exp (-\frac {\norm {x}^2}{4Dt})\). Die Aussage über die Konvergenz gegen die stationäre Lösung wird zu \(\forall _{t > 0}\; \norm {u(\cdot , t) - \overline {u}}_{L^2(\Omega )}^2 \le e^{-2Dt/c_p} \norm {u_0 - \overline {u}}_{L^2(\Omega )}^2\). Ist also \(D > 1\), dann ist die Fundamentallösung stärker glättend bzw. die Lösung fällt schneller gegen die stationäre Lösung ab.

Wellengleichung

Gleichung

Wellengleichung: 
Für \(\Omega := \real ^d\), \(T \in (0, \infty ]\), \(\Omega _T := \Omega \times (0, T)\), \(c > 0\) und Anfangswerte \(u_0 \in \C ^2(\Omega ), v_0 \in \C ^1(\Omega )\) heißt das Problem, ein \(u \in \C ^2(\Omega _T) \cap \C ^1(\overline {\Omega _T})\) zu finden mit \(\partial _t^2 u - c^2 \Delta u = 0\) in \(\Omega _T\), \(u(\cdot , 0) = u_0\) in \(\Omega \) und \(\partial _t u(\cdot , 0) = v_0\) in \(\Omega \), Cauchy-Problem für die Wellengleichung.

Bemerkung: Für \(c = 1\) ist die Gleichung nicht äquivalent zu \(-\Delta _{(x,t)} u = 0\), weil das Vorzeichen von \(\partial _t^2 u\) umgekehrt ist.

1D-Lösung für v₀ = 0 oder u₀ = 0

Bemerkung: Im Folgenden wird eine Lösung für \(d = 1\) konstruiert. Zunächst wird die PDE umgeschrieben in ein System 1. Ordnung. Dazu seien \(w_1 := \partial _t u\) und \(w_2 := \partial _x u\).
Es gilt \(\partial _t w_1 - c^2 \partial _x w_2 = 0\), wobei \(w_1(\cdot , 0) = v_0\) und \(w_2(\cdot , 0) = \partial _x u_0 = u_0’\) in \(\Omega \).
Mit \(w := \smallpmatrix {w_1\\w_2}\), \(A := \smallpmatrix {0&-c^2\\-1&0}\) und \(w_0 := \smallpmatrix {v_0\\u_0’}\) ergibt sich \(\partial _t w + A \partial _x w = 0\), \(w(\cdot , 0) = w_0\) in \(\Omega \), weil \(\partial _x w_1 = \partial _t w_2\) (wegen \(u \in \C ^2(\Omega _T)\)).
\(A\) ist diagonalisierbar mit \(A = R\Lambda R^{-1}\) sowie \(\Lambda := \smallpmatrix {-c&0\\0&c}\), \(R := \smallpmatrix {c&-c\\1&1}\) und \(R^{-1} = \frac {1}{2c} \smallpmatrix {1&c\\-1&c}\).
Durch die Koordinatentransformation \(z := R^{-1} w\) erhält man \(\partial _t Rz + R\Lambda R^{-1} \partial _x Rz = 0\) und \(z(\cdot , 0) = z_0\) in \(\Omega \) mit \(z_0 = \smallpmatrix {z_{0,1}\\z_{0,2}} := R^{-1} w_0\). Multipliziert man von links mit \(R^{-1}\), so bekommt man \(\partial _t z + \Lambda \partial _x z = 0\) und \(z(\cdot , 0) = z_0\) in \(\Omega \). Ausgeschrieben erhält man also zwei entkoppelte Advektionsgleichungen \(\partial _t z_1 - c \partial _x z_1 = 0\), \(z_1(\cdot , 0) = z_{0,1}\) sowie \(\partial _t z_2 + c \partial _x z_2 = 0\), \(z_2(\cdot , 0) = z_{0,2}\).
Mittels der Methode der Charakteristiken kann man eine explizite Lösung ermitteln als
\(z(x, t) = \smallpmatrix {z_{0,1} (x - (-c)t)\\z_{0,2} (x - ct)} = \smallpmatrix {z_{0,1} (x + ct)\\z_{0,2} (x - ct)}\), wobei \(z_0 = R^{-1} w_0 = \frac {1}{2c} \smallpmatrix {w_{0,1} + cw_{0,2}\\-w_{0,1} + cw_{0,2}}\).
Man erhält \(z(x, t) = \frac {1}{2c} \smallpmatrix {w_{0,1} (x + ct) + cw_{0,2} (x + ct)\\ -w_{0,1} (x - ct) + cw_{0,2} (x - ct)}\) bzw. \(w(x, t) = \frac {1}{2c} \smallpmatrix {c&-c\\1&1} \smallpmatrix {v_0 (x + ct) + c u_0’ (x + ct)\\-v_0 (x - ct) + c u_0’ (x - ct)}\).

Bemerkung:

  • Spezialfall: \(v_0 = 0\)
    In diesem Fall ist \(w(x, t) = \frac {1}{2} \smallpmatrix {cu_0’(x+ct) - cu_0’(x-ct)\\u_0’(x+ct) + u_0’(x-ct)}\), also \(\partial _x u(x, t) = \frac {1}{2} (u_0’(x+ct) + u_0’(x-ct))\) und damit \(u(x, t) = \frac {1}{2} (u_0(x+ct) + u_0(x-ct)) + K(t)\) mit geeignetem \(K(t) \in \real \). Für \(t = 0\) erhält man \(u_0(x) = u(x, 0) = u_0(x) + K(0) \iff K(0) = 0\). Für \(t > 0\) erhält man durch \(\partial _t\) auf \(u(x, t)\), dass \(\frac {\d }{\dt } K(t) = \partial _t u(x, t) - \frac {c}{2} (u_0’(x+ct) - u_0’(x-ct)) = \partial _t u(x, t) - w_1(x, t) \equiv 0\), d. h. \(K(t) \equiv 0\).
    Somit ist \(u(x, t) = \frac {1}{2} (u_0(x+ct) + u_0(x-ct))\) eine notwendige Bedingung für die Lösung, die auch hinreichend ist (Überprüfung durch Einsetzen in PDE). Damit ist eine eindeutige Lösung für \(v_0 = 0\) gefunden.

  • Spezialfall: \(u_0 = 0\)
    In diesem Fall ist \(w(x, t) = \frac {1}{2c} \smallpmatrix {cv_0(x+ct) + cv_0(x-ct)\\v_0(x+ct) - v_0(x-ct)}\), also \(\partial _x u(x, t) = \frac {1}{2c} (v_0(x+ct) - v_0(x-ct))\) und damit \(u(x, t) = \frac {1}{2c} \left (\int _0^{x+ct} v_0(s) \ds - \int _0^{x-ct} v_0(s) \ds \right ) + K(t)\) mit geeignetem \(K(t) \in \real \), weil aus \(g(x) := \int _0^{z(x)} v_0(s) \ds \) folgt \(g’(x) = z’(x) v_0(z(x))\).
    Für \(t = 0\) erhält man \(0 = u_0(x) = u(x, 0) = 0 + K(0) \iff K(0) = 0\). Für \(t > 0\) erhält man durch \(\partial _t\) auf \(u(x, t)\), dass \(\frac {\d }{\dt } K(t) = \partial _t u(x, t) - \frac {1}{2c} (c v_0(x+ct) - (-c) v_0(x-ct))\)
    \(= \partial _t u(x, t) - \frac {1}{2} (v_0(x+ct) + v_0(x-ct)) = \partial _t u(x, t) - w_1(x, t) \equiv 0\), d. h. \(K(t) \equiv 0\).
    Somit ist \(u(x, t) = \frac {1}{2c} \int _{x-ct}^{x+ct} v_0(s) \ds \) eine notwendige Bedingung für die Lösung, die ebenfalls wieder hinreichend ist. Damit ist eine eindeutige Lösung für \(u_0 = 0\) gefunden.

d’Alembertsche Formel für 1D

Satz (Ex. + Eind., d’Alembertsche Formel für \(d = 1\)): Für \(\Omega := \real \) ist die eindeutige klassische Lösung des AWPs gegeben durch \(u(x, t) = \frac {1}{2} (u_0(x+ct) - u_0(x-ct)) + \frac {1}{2c} \int _{x-ct}^{x+ct} v_0(s) \ds \).

Bemerkung:
Die Notwendigkeit von \(u_0 \in \C ^2(\Omega )\) und \(v_0 \in \C ^1(\Omega )\) wird jetzt klar, denn dann gilt \(u \in \C ^2(\Omega )\).
Die Wellengleichung hat keinen regularisierenden Effekt, da \(u\) nicht glatter als die Anfangsdaten.
Für \(d > 1\) gibt es ebenfalls Lösungsformeln (die allerdings viel komplizierter sind).

Bemerkung: Stehende Wellen, die man z. B. bei schwingenden Saiten beobachten kann, lassen sich mit der d’Alembertschen Formel erklären. Mit \(u_0(x) := \sin (\omega t)\) für ein \(\omega \not = 0\) und \(v_0 :\equiv 0\) erhält man \(u(x, t) = \frac {1}{2} (\sin (\omega (x+ct)) + \sin (\omega (x-ct))) = \sin (\omega x) \cos (\omega ct)\) (mit dem Additionstheorem), d. h. eine Überlagerung zweier laufender Sinuswellen ergibt eine stehende Welle, denn für \(\omega x \in \pi \integer \) ist \(u(x, t) = 0\) für alle \(t \ge 0\).

Eigenschaften der 1D-Lösung

Satz (\(L^\infty \)-Stabilität): Seien \(\Omega := \real \), \(u_0 \in \C ^2(\Omega ) \cap L^\infty (\Omega )\) und \(v_0 \in \C ^1(\Omega ) \cap L^1(\Omega )\).
Dann erfüllt die Lösung \(u\) des AWPs \(\forall _{t \ge 0}\; \norm {u(\cdot , t)}_{L^\infty (\Omega )} \le \norm {u_0}_{L^\infty (\Omega )} + \frac {1}{2c} \norm {v_0}_{L^1(\Omega )}\).

Bemerkung: Es gilt kein Max.prinzip, denn trotz \(u_0 = 0\) kann \(u(\cdot , t) \not = 0\) gelten (wenn \(v_0 \not = 0\)).

Satz (st. Abh. von Anfangsdaten): Seien \(\Omega := \real \), \(u, \overline {u}\) Lösungen des AWPs mit identischem \(c\), aber unterschiedlichem \(u_0, \overline {u_0} \in \C ^2(\Omega ) \cap L^\infty (\Omega )\) und \(v_0, \overline {v_0} \in \C ^1(\Omega ) \cap L^1(\Omega )\).
Dann gilt \(\exists _{C > 0} \forall _{t \ge 0}\; \norm {u(\cdot , t) - \overline {u}(\cdot , t)}_{L^\infty (\Omega )} \le C \left (\norm {u_0 - \overline {u_0}}_{L^\infty (\Omega )} + \norm {v_0 - \overline {v_0}}_{L^1(\Omega )}\right )\).

Bemerkung: Wie bei der Advektionsgleichung gibt es keine stetige Abh. bzgl. \(c\) in der \(L^\infty \)-Norm.

Abhängigkeitskegel:  Seien \(\Omega := \real \) und \((x_0, t_0) \in \Omega _T\).
Dann ist der Abhängigkeitskegel von \((x_0, t_0)\) definiert durch
\(C := \{(x, t) \in \Omega _T \;|\; t \in [0, t_0],\; |x - x_0| \le c(t_0 - t)\}\).

Satz (Abhängigkeitskegel): Seien \(\Omega := \real \), \((x_0, t_0) \in \Omega _T\) und \(C\) der Abhängigkeitskegel von \((x_0, t_0)\). Dann folgt aus \(\forall _{x \in \Omega ,\, |x - x_0| \le ct_0}\; u_0(x) = v_0(x) = 0\), dass \(u|_C \equiv 0\).

Bemerkung: Umgekehrt kann man sagen, dass der Anfangswert \(u_0(x_0)\) im Punkt \(x_0 \in \Omega \) die Lösungswerte \(u(x, t)\) nur für \(t \ge 0\) und \(|x - x_0| \le ct\) beeinflusst. Information breitet sich also nur mit endlicher Geschwindigkeit \(c\) aus (im Gegensatz zur Diffusionsgleichung).

Eindeutigkeit für das inhomogene ARWP für Lipschitz-Gebiete

Satz (Eindeutigkeit): Seien \(\Omega \subset \real ^d\) ein Lipschitz-Gebiet, \(\Omega _T := \Omega \times (0, T)\), \(c > 0\), \(f\colon \Omega _T \to \real \), \(g\colon \partial \Omega \times (0, T) \to \real \), \(u_0, v_0\colon \Omega \to \real \) und das ARWP \(\partial _t^2 u - c^2 \Delta u = f\) in \(\Omega _T\), \(u(\cdot , 0) = u_0\) in \(\Omega \), \(\partial _t u(\cdot , 0) = v_0\) in \(\Omega \) und \(u(x, t) = g(x, t)\) auf \(\partial \Omega \times (0, T)\) gegeben.
Dann gibt es höchstens eine Lösung \(u \in \C ^2(\Omega _T) \cap \C ^1(\overline {\Omega _T})\) des ARWPs.

Bemerkung: Ohne weitere Forderungen an die Daten (Regularität, Kompatibilität) kann man keine Existenzaussage beweisen. Die Anfangsdaten müssen sowohl für \(u\) als auch für \(\partial _t u\) vorgegeben werden, wogegen die Randdaten nur für eines von beiden vorgegeben werden dürfen, weil das ARWP sonst überbestimmt ist.

Herleitung durch Linearisierung der Euler-Gleichungen

Bemerkung: Die Wellengleichung kann auch aus den Euler-Gleichungen (beschreiben Strömungen in reibungsfreien Fluiden) hergeleitet werden, die man z. B. in der Akustik verwendet. Nimmt man an, dass man Schallwellen modellieren will und die Luft ein isothermes Gas ist, sich also durch die Druckschwankungen nicht aufwärmt, so lauten die Euler-Gleichungen \(\partial _t \varrho + \div _x(\varrho v) = 0\) (Massenerhaltung) und \(\partial _t v + (v \cdot \nabla ) v + \frac {1}{\varrho } \nabla p(\varrho ) = 0\) (Impulserhaltung) mit den Unbekannten \(\varrho \colon \Omega \to \real \) (Dichte) und \(v\colon \Omega \to \real ^d\) (Geschwindigkeit), wobei
\((v \cdot \nabla ) v := (\sum _{i=1}^d v_i \partial _{x_i} v_j)_{j=1}^d\). Der Druck \(p(\varrho )\) wird meist als Zustandsgleichung problemabhängig vorgeschrieben (für ein ideales Gas mit adiabatischen NBen kann man z. B. \(p(\varrho ) := K \varrho ^\gamma \) mit \(K, \gamma > 0\) nehmen).

Wenn man annimmt, dass die Dichte nur kleine Schwankungen um den Mittelwert \(\varrho \in \real ^+\) erfährt, also \(\varrho = \varrho _0 (1 + g)\) mit „kleinem“ \(g, \nabla g, v, \div (v)\), so kann man die quadratischen Terme \(g\div (v), v \nabla g, (v \cdot \nabla ) v\) vernachlässigen.

Eingesetzt in die Massenerhaltung bekommt man \(\varrho _0 (\partial _t g + \div ((1 + g) v)) = 0\)
\(\iff \partial _t g + (1 + g) \div (v) + v \nabla g = 0 \iff \partial _t g + \div (v) + \cancel {g \div (v)} + \cancel {v \nabla g} = 0 \iff \partial _t g + \div (v) = 0\).

Für die Impulserhaltung approximiert man \(\frac {1}{\varrho } \nabla p(\varrho ) = \frac {\nabla p(\varrho _0 (1 + g))}{\varrho _0 (1 + g)} \approx \frac {p’(\varrho _0) \nabla g}{\varrho _0}\) und erhält so durch Einsetzen \(\partial _t v + \cancel {(v \cdot \nabla ) v} + \frac {p’(\varrho _0) \nabla g}{\varrho _0} = 0 \iff \partial _t v + c^2 \nabla g = 0\) mit \(c^2 := \frac {p’(\varrho _0)}{\varrho _0}\).

Wendet man nun \(\partial _t\) auf die erste Gleichung und \(\div \) auf die zweite an und zieht das zweite Ergebnis vom ersten ab, so bekommt man \(\partial _t^2 g - c^2 \Delta g = 0\), also die Wellengleichung.

Dies heißt auch akustische Approximation der Euler-Gleichungen und \(c\) ist die Schallgeschwindigkeit.

Klassifikation linearer PDEs zweiter Ordnung

linearer Differentialoperator 2. Ordnung:  Seien \(\Omega \subset \real ^d\) offen,
\(A = (a_{ij})_{i,j=1}^d \in \C ^0(\Omega , \real ^{d \times d})\), \(b = (b_i)_{i=1}^d \in \C ^0(\Omega , \real ^d)\) und \(c \in \C ^0(\Omega )\). Dann heißt
\(\L \colon \C ^2(\Omega ) \to \C ^0(\Omega )\) mit \((\L u)(x) := -\sum _{i,j=1}^d a_{ij}(x) \partial _{x_i} \partial _{x_j} u(x) + \sum _{i=1}^d b_i(x) \partial _{x_i} u(x) + c(x) u(x)\)
linearer Differentialoperator 2. Ordnung.

Bemerkung: Mit dem Hadamard-Produkt \(\circ \) (elementweise Matrizenmultiplikation) erhält man \(\L u = -A \circ (\nabla \nabla ^\tp u) + b \nabla u + cu\). Der erste Summand \(-A \circ (\nabla \nabla ^\tp u)\) heißt Hauptteil von \(\L \).
OBdA kann man \(A\) symmetrisch wählen (sonst führt \(\widetilde {A} := \frac {1}{2} (A + A^\tp )\) zum selben \(\L \)).
Mit \(f \in \C ^0(\Omega )\) erhält man eine PDE \(\L u = f\) in \(\Omega \).

Klassifikation von linearen PDEs 2. Ordnung:  Sei \(x \in \Omega \). Dann heißt \(\L \)

  • elliptisch in \(x\), falls alle EWe von \(A(x)\) positiv sind,

  • parabolisch in \(x\), falls \((d - 1)\) EWe von \(A(x)\) positiv sind und der übrige verschwindet, aber \(\Rang (\smallpmatrix {A(x) & b(x)}) = d\), und

  • hyperbolisch in \(x\), falls \((d - 1)\) EWe von \(A(x)\) positiv sind und der übrige negativ ist.

\(\L \) heißt elliptisch/parabolisch/hyperbolisch, falls \(\L \) die Eigenschaft in allen \(x \in \Omega \) erfüllt.
Die PDE \(\L u = f\) heißt elliptisch/parabolisch/hyperbolisch, falls \(\L \) diese Eigenschaft erfüllt.

Bemerkung: Die Begriffe sind motiviert durch Quadriken, denn \(\{z \in \real ^d \;|\; z^\tp A(x) z = 1\}\) beschreibt unter obigen Bedingungen ein Ellipsoid, Paraboloid bzw. Hyperboloid.

Beispiel:

  • Die Laplace-/Poisson-Gleichung ist elliptisch, da aus \(\L u := -\Delta u\) folgt, dass \(A(x) :\equiv I_d\) und \(b = c :\equiv 0\) (das erklärt den Sinn des negativen Vorzeichens).

  • Die Diffusionsgleichung ist parabolisch, da aus \(\L u := \partial _t u - \Delta _x u\) folgt, dass
    \(A(x, t) :\equiv \smallpmatrix {I_d&0\\0&0} \in \real ^{(d+1)\times (d+1)}\), \(b :\equiv e_{d+1} \in \real ^{d+1}\) und \(c :\equiv 0\).

  • Die Wellengleichung ist hyperbolisch, da aus \(\L u := \partial _t^2 u - \widetilde {c}^2 \Delta _x u\) folgt, dass
    \(A(x, t) :\equiv \smallpmatrix {I_d&0\\0&-\widetilde {c}^2} \in \real ^{(d+1)\times (d+1)}\) und \(b = c :\equiv 0\).

  • Die Tricomi-Gleichung \(x_2 \partial _{x_1}^2 u + \partial _{x_2}^2 u = 0\) in \(\Omega := \real ^2\) ist vom gemischten Typ, da aus \(A(x) := \smallpmatrix {x_2&0\\0&1}\) und \(b = c :\equiv 0\) folgt, dass sie elliptisch in \((x_1, x_2) \in \real \times (0, \infty )\) und hyperbolisch in \((x_1, x_2) \in \real \times (-\infty , 0)\) ist.

Bemerkung: Die Unterscheidung ist sinnvoll wg. unterschiedlicher Lösungseigenschaften.

  • elliptische PDEs: meist RBen vorgegeben, Lösungen meist sehr glatt (\(\C ^\infty \)), erfüllen häufig ein Maximumprinzip

  • parabolische PDEs: ausgezeichnete Achse meist Zeit, Umschreiben als \(\partial _t u + \widetilde {\L } u = \widetilde {f}\) mit \(\widetilde {\L }\) elliptisch möglich, häufig ABen vorgegeben (ggf. RBen), regularisierender Effekt (Lösung glatter als Anfangsdaten), unendliche Ausbreitungsgeschwindigkeit

  • hyperbolische PDEs: ausgezeichnete Achse meist Zeit, Umschreiben als \(\partial _t^2 u + \widetilde {\L } u = \widetilde {f}\) mit \(\widetilde {\L }\) elliptisch möglich, beschreiben Schwingungsvorgänge, häufig ABen für \(u\) und \(\partial _t u\) vorgegeben (ggf. dazu noch RBen), endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit

Bemerkung: Sei \(\L \) elliptisch. Falls \(\L \) rot.inv. ist, so gilt \(\L u = -a \nabla u + cu\). \(\L \) heißt glm. ell. mit Ell.konst. \(\alpha \), falls \(\exists _{\alpha > 0} \forall _{z \in \real ^d} \forall _{x \in \Omega }\; z^\tp A(x) z \ge \alpha \norm {z}^2\) (alle EWe von \(A(\cdot )\) sind \(\ge \alpha \)). Maximum-/Minimum-/Vergleichsprinzipien und Eind. von Lsg.en folgen wie bei der Poisson-Gleichung.

Einschub: Finite Volumen für skalare Erhaltungsgleichungen in 1D

Bemerkung: Im Folgenden betrachtet man für \(\Omega := \real \), \(\Omega _T := \real \times (0, T)\), \(f \in \C ^1(\Omega )\) (Flussfunktion) und \(u_0 \in L^1_\loc (\Omega ) \cap L^\infty (\Omega )\) das Cauchy-Problem \(\partial _t u + \partial _x f(u) = 0\) in \(\Omega _T\) und \(u(\cdot , 0) = u_0\).

Gesucht ist ein num. Verfahren zur Lösung der PDE, das das Integral \(\int _\Omega u(x, t) \dx \) für \(t \in (0, T)\) erhält. Definiere das Gitter \(x_j := j \Delta x\) und \(t^n := n \Delta t\) für \(j \in \integer \cup (\integer + \frac {1}{2})\) und \(n \in \natural _0\). Man integriert nun über das Kontrollvolumen \(V := [x_{j-1/2}, x_{j+1/2}] \times [t^n, t^{n+1}]\) und wendet den Gauß-Integralsatz an: \(0 = \int _V (\partial _t u + \partial _x f(u)) \dx = \int _V \div _{(t,x)}((u, f(u))^\tp ) \dx = \int _{\partial V} (u, f(u))^\tp \cdot n \dsigma (t, x)\)
\(= \int _{x_{j-1/2}}^{x_{j+1/2}} (u(x, t^{n+1}) - u(x, t^n)) \dx + \int _{t^n}^{t^{n+1}} (f(u(x_{j+1/2}, t)) - f(u(x_{j-1/2}, t))) \dt \).

Als Approximation nimmt man \(u(x, t^n) \approx u_j^n\) konstant für \(x \in [x_{j-1/2}, x_{j+1/2}]\) an und definiert \(g_{j+1/2}^n := g(u_j^n, u_{j+1}^n) \approx \frac {1}{\Delta t} \int _{t^n}^{t^{n+1}} f(u(x_{j+1/2}, t)) \dt \) für einen num. Fluss \(g\colon \real ^2 \to \real \).

Damit erhält man das diskretisierte Problem \(0 = \Delta x (u_j^{n+1} - u_j^n) + \Delta t (g_{j+1/2}^n - g_{j-1/2}^n)\) bzw.
\(u_j^{n+1} := u_j^n - \frac {\Delta t}{\Delta x} (g_{j+1/2}^n - g_{j-1/2}^n)\) mit den Anfangswerten \(u_j^0 := \frac {1}{\Delta x} \int _{x_{j-1/2}}^{x_{j+1/2}} u_0(x) \dx \)
(oder einfacher \(u_j^0 := u_0(x_j)\)).

Die numerische Lösung ist dann stückweise konstant definiert als \(u_h(x, t) := \sum _{j,n} u_j^n \cdot \chi _{V_{j,n}}(x, t)\).

Bemerkung: Die Erhaltungseigenschaft des Integrals ist gegeben, weil
\(\sum _j u_j^{n+1} \Delta x = \sum _j u_j^n \Delta x - \cancel {\sum _j \Delta t (g_{j+1/2}^n - g_{j-1/2}^n)} = \sum _j u_j^n \Delta x = \dotsb = \sum _j u_j^0 \Delta x \approx \int _\Omega u_0(x) \dx \).

Es gilt ein lokales Maximumprinzip: Ist \(g\) Lipschitz-stetig mit Konstante \(L\) und \(\Delta t \le \frac {\Delta x}{2L}\), dann liegt \(u_j^{n+1}\) in der konvexen Hülle von \(u_{j-1}^n, u_j^n, u_{j+1}^n\).
Daraus folgt direkt \(L^\infty \)-Stabilität, d. h. \(\norm {u^{n+1}}_\infty \le \norm {u^n}_\infty \le \dotsb \le \norm {u_0}_{L^\infty (\Omega )}\).

Bemerkung: Allgemein sollte ein geeigneter numerischer Fluss folgende Bedingungen erfüllen:

  • Konsistenz: \(g(u, u) = f(u)\)

  • Lipschitz-Stetigkeit: \(g \in \C ^{0,1}(\real ^2)\)

  • Monotonie: \(g(v, w)\) monoton wachsend in \(v\) und fallend in \(w\)

Beispiel: Beispiele für numerische Flüsse umfassen:

  • Lax-Friedrichs-Fluss: \(g(u, v) := \frac {1}{2} (f(u) + f(v)) + \frac {1}{2\lambda } (u - v)\) mit \(\lambda := \frac {\Delta t}{\Delta x}\)

  • Engquist-Osher-Fluss: Für \(f’(u) > 0\) sollte man Rückwärtsdifferenzen (Downwind) und für \(f’(u) < 0\) Vorwärtsdifferenzen (Upwind) verwenden. Die Berechnung erfolgt mit
    \(f^+(u) := f(0) + \int _0^u \max (f’(s), 0) \ds \) und \(f^-(u) := \int _0^u \min (f’(s), 0) \ds \) (damit \(f = f^+ + f^-\)) durch \(g(v, w) := f^+(v) + f^-(w)\).