Ring, Algebra und Maß

Im Folgenden sei \(X\) die Grundmenge und \(2^X = P(X)\) bezeichne die Potenzmenge.

Ring: \(\emptyset \not = \mathcal {R} \subset 2^X\) heißt Ring, falls für alle \(A, B \in \mathcal {R}\) gilt, dass \(A \cup B \in \mathcal {R}\) sowie \(A \setminus B \in \mathcal {R}\).

Folgerung: Für \(A, B \in \mathcal {R}\) ist auch \(A \setminus A = \emptyset \in \mathcal {R}\) sowie \(A \setminus (A \setminus B) = A \cap B \in \mathcal {R}\).

\(\sigma \)-Ring: \(\mathcal {R} \subset 2^X\) heißt \(\sigma \)-Ring, falls \(\mathcal {R}\) ein Ring ist sowie für jedes abzählbare System von Mengen \(\{A_k\}_{k \in \natural }\), \(A_k \in \mathcal {R}\) gilt, dass \(\bigcup _{k \in \natural } A_k \in \mathcal {R}\).

Algebra: \(\mathcal {R} \subset 2^X\) heißt Algebra, falls \(\mathcal {R}\) ein Ring ist sowie \(X \in \mathcal {R}\).

\(\sigma \)-Algebra: \(\mathcal {R} \subset 2^X\) heißt \(\sigma \)-Algebra, falls \(\mathcal {R}\) ein \(\sigma \)-Ring ist sowie \(X \in \mathcal {R}\).

Folgerung: Es gilt \(\bigcap _{k \in \natural } A_k = A_1 \setminus \left (\bigcup _{k \in \natural } (A_1 \setminus A_k)\right )\), d. h. für einen \(\sigma \)-Ring \(\mathcal {R}\) und einem abzählbaren System von Mengen \(\{A_k\}_{k \in \natural }\), \(A_k \in \mathcal {R}\) gilt, dass \(\bigcap _{k \in \natural } A_k \in \mathcal {R}\).

Nun seien \(\mathcal {R}\) ein Ring und \(\varphi \colon \mathcal {R} \rightarrow \real ^\ast := \{-\infty \} \cup \real \cup \{+\infty \}\) eine Funktion, sodass höchstens einer der Werte \(\pm \infty \) angenommen wird. Eine solche Funktion heißt auch Mengenfunktion.

additiv: \(\varphi \colon \mathcal {R} \rightarrow \real ^\ast \) heißt additiv, falls \(\mathcal {R}\) ein Ring ist und für alle \(A, B \in \mathcal {R}\) mit \(A \cap B = \emptyset \) gilt, dass \(\varphi (A \cup B) = \varphi (A) + \varphi (B)\).

\(\sigma \)-additiv: \(\varphi \colon \mathcal {R} \rightarrow \real ^\ast \) heißt \(\sigma \)-additiv, falls \(\mathcal {R}\) ein \(\sigma \)-Ring ist sowie für jedes abzählbare System von Mengen \(\{A_k\}_{k \in \natural }\), \(A_k \in \mathcal {R}\) mit \(A_k \cap A_j = \emptyset \) für alle \(k \not = j\) gilt,
dass \(\varphi \left (\bigcup _{k \in \natural } A_k\right ) = \sum _{k=1}^\infty \varphi (A_k)\).

\(A = \bigcup _{k \in \natural } A_k\) hängt nicht von der Reihenfolge der \(A_k\) ab, d. h. \(\sum _{k=1}^\infty \varphi (A_k)\) ist unabhängig von der Reihenfolge der Summanden. Damit konvergiert die Reihe nach dem Umordnungssatz von Riemann absolut, wenn sie überhaupt konvergiert (ansonsten divergiert sie für \(\varphi \ge 0\) bestimmt).

Eigenschaften additiver Funktionen:

  • \(\varphi (\emptyset ) = 0\), denn mit \(A \in \mathcal {R}\) gilt \(A \cap \emptyset = \emptyset \), also \(\varphi (A) = \varphi (A \cup \emptyset ) = \varphi (A) + \varphi (\emptyset )\)
    (wenn \(\varphi (A)\) für mindestens ein \(A \in \mathcal {R}\) endlich ist).

  • Aus \(A_1, \dotsc , A_n \in \mathcal {R}\), \(A_j \cap A_k = \emptyset \) für alle \(j \not = k\) folgt induktiv \(\varphi \left (\bigcup _{k=1}^n A_k\right ) = \sum _{k=1}^n \varphi (A_k)\).

  • Es gilt \(\varphi (A_1 \cap A_2) + \varphi (A_1 \cup A_2) = \varphi (A_1) + \varphi (A_2)\) für \(A_1, A_2 \in \mathcal {R}\).

Eigenschaften nicht-negativer additiver Funktionen:

  • \(\varphi (A_1 \cup A_2) \le \varphi (A_1) + \varphi (A_2)\), d. h. \(\varphi \left (\bigcup _{k=1}^n A_k\right ) \le \sum _{k=1}^n \varphi (A_k)\).

  • Ist \(A_1 \subset A_2\), so ist \(\varphi (A_1) \le \varphi (A_2)\), denn
    \(\varphi (A_2) = \varphi ((A_2 \setminus A_1) \cup A_1) = \varphi (A_2 \setminus A_1) + \varphi (A_1) \ge \varphi (A_1)\).

Satz: Seien \(\mathcal {R} \subset 2^X\) ein \(\sigma \)-Ring, \(\varphi \colon \mathcal {R} \rightarrow \real ^\ast \) \(\sigma \)-additiv sowie \(A_k \in \mathcal {R}\) für \(k \in \natural \) mit
\(A_1 \subset A_2 \subset \dotsb \subset A_k \subset A_{k+1} \subset \dotsb \) und \(A = \bigcup _{k \in \natural } A_k\).
Dann ist \(\lim _{k \to \infty } \varphi (A_k) = \varphi (A)\).

Maß: Ein Maß ist eine auf einem \(\sigma \)-Ring \(\mathcal {R}\) gegebene nicht-negative, \(\sigma \)-additive Funktion \(\varphi \colon \mathcal {R} \rightarrow \real ^\ast \). Das Tripel \((X, \mathcal {R}, \varphi )\) heißt Maßraum. \(A \subset X\) heißt messbar, falls \(A \in \mathcal {R}\).

Ein Beispiel für eine \(\sigma \)-Algebra auf \(X \not = \emptyset \) ist \(\mathcal {R} = \{\emptyset , X\}\) oder auch \(\mathcal {R} = 2^X\). Im letzten Fall ist mit \(\varphi (A) = \#\{x \in A\}\) (Anzahl der Elemente für \(A \subset X\) endlich, \(+\infty \) für \(A\) unendlich) ein Maß gegeben, das sog. Zählmaß.

Zur Konstruktion des Lebesgue-Maßes

Im Folgenden betrachtet man die Grundmenge \(X = \real ^d\). Im \(\real ^d\) definiert man (abgeschlossene) Quader \(Q := \{x \in \real ^d \;|\; a_j \le x_j \le b_j,\; j = 1, \dotsc , d\}\). Analog kann man offene bzw. halboffene Quader definieren, falls man alle bzw. manche Ungleichheitszeichen zu „echt kleiner“ verstärkt. Dies sind nicht alle Quader des \(\real ^d\), sondern genau solche, deren Kanten und Flächen parallel zu den Koordinatenachsen sind. Als „Quader“ sollen nun alle offenen, halboffenen und abgeschlossenen Quader \(Q\) der obigen Form bezeichnet werden.

Falls \(Q \not = \emptyset \), d. h. \(a_j \le b_j\) für \(j = 1, \dotsc , d\), so definiert man \(m(Q) := \prod _{j=1}^d (b_j - a_j)\) als Volumen des Quaders. Man kann sehen, dass diese Definition absichtlich nicht berücksichtigt, ob ein Quader offen, halboffen oder abgeschlossen ist (diese Quader sollen dasselbe Volumen besitzen).

Eine elementare Menge ist nun eine Teilmenge \(E \subset \real ^d\), die als endliche disjunkte Vereinigung von solchen Quadern dargestellt werden kann. \(\mathcal {E}\) sei die Menge aller elementaren Mengen des \(\real ^d\), d. h. \(\mathcal {E} = \{E \subset \real ^d \;|\; E \text { ist elementare Menge}\}\).

Eigenschaften von \(\mathcal {E}\): \(\mathcal {E}\) ist ein Ring.
\(m\) ist wohldefiniert auf \(\mathcal {E}\) durch \(m(E) = \sum _{i=1}^n m(Q_i)\) für \(E \in \mathcal {E}\), d. h. \(E = \bigcup _{i=1}^n Q_i\) mit \(Q_i\) paarweise disjunkt (die Zerlegung ist nicht eindeutig, trotzdem ist \(m\) wohldefiniert, also unabhängig von der konkreten Darstellung von \(E\) als endliche disjunkte Vereinigung von Quadern).
Damit ist \(m\) additiv auf \(\mathcal {E}\).

regulär: Eine erweiterte nicht-negative additive Funktion \(\varphi \colon \mathcal {E} \rightarrow \real ^\ast \) heißt regulär, falls für alle \(A \in \mathcal {E}\) und \(\delta > 0\) Mengen \(F = F_{\delta ,A}\) und \(G = G_{\delta ,A}\) existieren mit
\(F, G \in \mathcal {E}\),   \(F\) abgeschlossen, \(G\) offen,   \(F \subset A \subset G\)  und  \(\varphi (G) - \delta \le \varphi (A) \le \varphi (F) + \delta \).

Es stellt sich heraus, dass \(m\) eine reguläre Funktion ist.

Ein weiteres Beispiel ist für \(d = 1\) und eine beliebige, monoton steigende Funktion \(\alpha \colon \real \to \real \), \(\alpha \ms \) die Funktion \(\mu \colon \mathcal {E} \rightarrow \real \) mit \(\mu (\left [a,b\right ]) = \alpha (b + 0) - \alpha (a - 0)\), \(\mu (\left ]a,b\right ]) = \alpha (b + 0) - \alpha (a + 0)\), \(\mu (\left [a,b\right [) = \alpha (b - 0) - \alpha (a - 0)\) und \(\mu (\left ]a,b\right [) = \alpha (b - 0) - \alpha (a + 0)\). \(\mu \) ist regulär auf \(\mathcal {E}\) (über \(\real \)). Die Grenzwerte existieren alle, da monotone Funktionen Unstetigkeiten höchstens in Form von Sprungstellen haben.

Ist eine Menge \(\{\mathcal {R}_\tau \}_{\tau \in T}\) von \(\sigma \)-Ringen \(\mathcal {R}_\tau \subset 2^X\) gegeben, so ist \(\mathcal {R} = \bigcap _{\tau \in T} \mathcal {R}_\tau \) ebenfalls ein \(\sigma \)-Ring. Insbesondere gibt es einen minimalen \(\sigma \)-Ring \(\mathcal {R}\), der \(\mathcal {E}\) enthält.

äußeres Maß \(\mu ^\ast \): Seien \(\mu \colon \mathcal {E} \rightarrow \real ^\ast \) regulär sowie \(E \subset \real ^d\) beliebig.
Außerdem seien \(\bigcup _{n=1}^\infty A_n \supset E\) (\(A_n \in \mathcal {E}\) offen) abzählbare offene Überdeckungen von \(E\).
Dann ist mit \(\mu ^\ast (E) := \inf _{\bigcup _{n=1}^\infty A_n \supset E} \left \{\sum _{n=1}^\infty \mu (A_n)\right \}\) das äußere Maß von \(E\) definiert.

Eigenschaften von \(\mu ^\ast \): \(\mu ^\ast \) ist monoton, d. h. für \(E_1 \subset E_2\) gilt \(\mu ^\ast (E_1) \le \mu ^\ast (E_2)\).
Außerdem ist \(\mu ^\ast \ge 0\) nicht-negativ.

Satz: Für \(E \in \mathcal {E}\) ist \(\mu ^\ast (E) = \mu (E)\).
Ist \(E = \bigcup _{n=1}^\infty E_n\) abzählbare Vereinigung von Mengen \(E_n \subset \real ^d\), so ist \(\mu ^\ast (E) \le \sum _{n=1}^\infty \mu ^\ast (E_n)\),
d. h. \(\mu ^\ast \) ist \(\sigma \)-subadditiv.

Man sagt auch, \(\mu ^\ast \) ist eine \(\sigma \)-subadditive Fortsetzung von \(\mu \colon \mathcal {E} \rightarrow \real ^\ast \) auf \(2^{\real ^d}\).

Lemma von Heine-Borel: Sei \((M, d)\) ein metrischer Raum. Dann ist eine Teilmenge \(F \subset M\) kompakt genau dann, wenn aus jeder abzählbaren Überdeckung \(F \subset \bigcup _{n=1}^\infty A_n\) von \(F\) mit offenen Mengen \(A_n\) eine endliche Überdeckung \(F \subset \bigcup _{j=1}^m A_{n_j}\) ausgewählt werden kann.

Sind \(A\) und \(B\) Mengen, so ist die symmetrische Differenz \(A \symmdiff B := (A \setminus B) \cup (B \setminus A) = (A \cup B) \setminus (A \cap B)\) definiert. Ist also \(\mathcal {R}\) ein Ring, so gilt für \(A, B \in \mathcal {R}\) auch \(A \symmdiff B \in \mathcal {R}\).

Für \(A, B \subset \real ^d\) sei \(d^\ast (A, B) := \mu ^\ast (A \symmdiff B)\). Außerdem führt man einen Konvergenzbegriff ein:
Für \(A_n \subset \real ^d\), \(n \in \natural \) und \(A \subset \real ^d\) konvergiert \(A_n\) gegen \(A\) (\(A_n \xrightarrow {d^\ast } A\)), falls \(d^\ast (A_n, A) \to 0\).

Eigenschaften von \(d^\ast \): \(d^\ast (A, B) = d^\ast (B, A)\) wegen \(A \symmdiff B = B \symmdiff A\).
\(d^\ast (A, A) = 0\) wegen \(A \symmdiff A = \emptyset \) sowie \(d^\ast (A, B) \ge 0\).
\(d^\ast (A, B) = \mu ^\ast (A \symmdiff B) \le \mu ^\ast ((A \symmdiff C) \cup (B \symmdiff C)) \le \)
\(\mu ^\ast (A \symmdiff C) + \mu ^\ast (B \symmdiff C) = d^\ast (A, C) + d^\ast (C, B)\) wegen \(A \symmdiff B \subset (A \symmdiff C) \cup (B \symmdiff C)\).

Jedoch ist \(d^\ast \) keine Metrik, da \(d^\ast (A, B) = 0 \;\not \Rightarrow \; A = B\)!   Zum Beispiel für \(B = A \cup \{x\}\) mit \(A\) beliebige Menge, \(x \notin A\) ist \(A \symmdiff B = \{x\}\), aber \(d^\ast (A, B) = \mu ^\ast (\{x\}) = 0\).

Also ist der obige Konvergenzbegriff nicht eindeutig, denn zwei Grenzwerte einer Folge können sich um etwas unterscheiden, dessen äußeres Maß \(0\) ist.

Lemma: Für \(\circ \in \{\cup , \cap , \setminus \}\) gilt aufgrund \((A_1 \circ A_2) \symmdiff (B_1 \circ B_2) \subset (A_1 \symmdiff B_1) \cup (A_2 \symmdiff B_2)\), dass \(d^\ast (A_1 \circ A_2, B_1 \circ B_2) \le d^\ast (A_1, B_1) + d^\ast (A_2, B_2)\).
Außerdem gilt für \(A, B \subset \real ^d\), \(\mu ^\ast (A) < \infty \) die Ungleichung \(|\mu ^\ast (A) - \mu ^\ast (B)| \le d^\ast (A, B)\).

(endlich) \(\mu \)-messbar:
\(A \subset \real ^d\) heißt endlich \(\mu \)-messbar (\(A \in \mathcal {M}_F(\mu )\)), falls \(A_n \xrightarrow {d^\ast } A\) mit einer Folge von \(A_n \in \mathcal {E}\).
\(A \subset \real ^d\) heißt \(\mu \)-messbar (\(A \in \mathcal {M}(\mu )\)), falls \(A = \bigcup _{n=1}^\infty A_n\) mit \(A_n \in \mathcal {M}_F(\mu )\).

Satz: \(\mathcal {M}(\mu )\) ist eine \(\sigma \)-Algebra. \(\mu ^\ast \) ist \(\sigma \)-additiv auf \(\mathcal {M}(\mu )\).

Im Beweis dieses Satzes wird zusätzlich \(A \in \mathcal {M}_F(\mu ) \;\Leftrightarrow \; A \in \mathcal {M}(\mu ) \land \mu ^\ast (A) < \infty \) gezeigt.

Nimmt man eine beliebige offene, nicht-leere Menge \(A \subset \real ^d\), \(A \not = \emptyset \), so kann man für einen Punkt \(x \in A\) eine \(\varepsilon \)-Umgebung \(U_\varepsilon (x) \subset A\) finden mit \(\varepsilon > 0\). In diese \(\varepsilon \)-Umgebung kann man immer einen Würfel der Seitenlänge \(\varepsilon _1 > 0\) einbeschreiben. Da \(\rational ^d\) in \(\real ^d\) dicht liegt, gibt es ein \(r \in \rational ^d\) mit \(\norm {x - r} < \frac {\varepsilon _1}{4}\). Im Würfel um \(r\) mit Seitenlänge \(\varepsilon _2 = \frac {\varepsilon _1}{2} > 0\) ist \(x\) enthalten.
Also ist jede offene Menge \(A \subset \real ^d\) darstellbar als abzählbare Vereinigung von Würfeln.
Da Würfel elementare Mengen und somit (finit) messbar sind, sind offene als auch abgeschlossene Mengen \(A \subset \real ^d\) \(\mu \)-messbar, d. h. \(A \in \mathcal {M}(\mu )\).

Borel-Algebra: Die Borel-Algebra \(\mathcal {B}\) ist die kleinste \(\sigma \)-Algebra, welche alle offenen Mengen enthält. Diese existiert, da z. B. \(\mathcal {M}(\mu )\) eine \(\sigma \)-Algebra ist, die alle offenen Mengen enthält (s. o.).
Die Borel-Algebra enthält genau die Borel-Mengen, das sind die Mengen, die sich aus offenen Mengen durch die Operationen „abzählbare Vereinigung“, „abzählbarer Durchschnitt“ sowie „Komplement“ bilden lassen. Sind z. B. \(G_n\) offen, \(F_n\) abgeschlossen für \(n \in \natural \), dann sind \(G^\sigma = \bigcap _{n=1}^\infty G_n\) und \(F^\sigma = \bigcup _{n=1}^\infty F_n\) Borelmengen 1. Typs usw.
Die Borel-Algebra auf \(X\) bezeichnet man auch mit \(\mathcal {B}(X)\).

Es gilt \(\mathcal {B} \subset \mathcal {M}(\mu )\), da ja \(\mathcal {M}(\mu )\) eine \(\sigma \)-Algebra ist, die alle offenen Mengen enthält.
Allerdings gilt \(\mathcal {B} \not = \mathcal {M}(\mu )\), d. h. es gibt messbare Mengen, die keine Borel-Mengen sind.

Messbare Funktionen

Seien \((X, \mathcal {R}, \mu )\) ein Maßraum mit \(\mathcal {R}\) \(\sigma \)-Algebra und \(f\colon X \rightarrow \real ^\ast \) eine erweiterte Funktion.
Eine Menge \(A \subset X\) heißt messbar, falls \(A \in \mathcal {R}\) ist.

messbare Funktion: \(f\) heißt messbar, falls \(\forall _{a \in \real }\; E_a(f) := \{x \in X \;|\; f(x) > a\}\) messbar ist.

Satz: \(\forall _{a \in \real }\; \{x \in X \;|\; f(x) > a\}\) messbar
\(\;\Leftrightarrow \;\) \(\forall _{a \in \real }\; \{x \in X \;|\; f(x) \ge a\}\) messbar
\(\;\Leftrightarrow \;\) \(\forall _{a \in \real }\; \{x \in X \;|\; f(x) < a\}\) messbar
\(\;\Leftrightarrow \;\) \(\forall _{a \in \real }\; \{x \in X \;|\; f(x) \le a\}\) messbar

Folgerung: Ist \(f\) messbar und \(I \subset \real \) ein Intervall, so ist \(f^{-1}(I)\) messbar.

Jede offene Menge \(A \subset \real \) ist eine disjunkte Vereinigung von höchstens abzählbar vielen offenen Intervallen \(I_k\). Also ist \(f^{-1}(A) = \bigcup _{k=1}^\infty f^{-1}(I_k)\) messbar, falls \(A\) offen und \(f\) messbar ist.
Daher ist \(f^{-1}(A)\) messbar für Borel-Mengen \(A \subset \real \).

Borel-messbar: Eine Funktion \(f\colon X \rightarrow \real ^\ast \) heißt Borel-messbar, falls
\(\forall _{a \in \real }\; E_a(f) = \{x \in X \;|\; f(x) > a\} \in \mathcal {B}(X)\) ist.
Dies ist der Fall genau dann, wenn \(f^{-1}(B) \in \mathcal {B}(X)\) für alle \(B \in \mathcal {B}(\real ^\ast )\).

Satz: Ist \(f\) messbar, so ist auch \(|f|\) messbar.

Satz: Ist \(\{f_n\}_{n \in \natural }\) eine Folge messbarer Funktionen, dann sind \(g\) und \(h\) messbar mit
\(g(x) = \sup _{n \in \natural } f_n(x)\) (auch \(\inf \)) und \(h(x) = \limsup _{n \to \infty } f_n(x)\) (auch \(\liminf \)).

Folgerung: Ist \(\{f_n\}_{n \in \natural }\) eine Folge messbarer Funktionen sowie für alle \(x \in X\) gibt es einen Grenzwert \(f(x) = \lim _{n \to \infty } f_n(x)\), dann ist \(f\) messbar.
Ist \(f\) messbar, dann sind \(f^+\), \(f^-\) und \(-f\) messbar mit
\(f^+(x) := \max \{0, f(x)\}\), \(f^- := -\min \{0, f(x)\}\), \(f = f^+ - f^-\), \(f^\pm \ge 0\).

Satz: Sind \(f\) und \(g\) messbar mit \(c \in \real \), so sind auch \(f + g\), \(f - g\), \(f \cdot g\) und \(c \cdot f\) messbar.
Außerdem ist \(\{x \in X \;|\; f(x) < g(x)\}\) messbar.

Folgerung: Ist \(p\) ein Polynom mit reellen Koeffizienten und \(f\) messbar, so ist auch \(p(f(x))\) messbar.

Treppenfunktion: Eine Treppenfunktion (eigentlich einfache Funktion) ist eine Funktion \(t\colon X \rightarrow \real \) mit endlichem Wertevorrat, d. h. \(t(X) = \{c_1, \dotsc , c_N\}\) mit \(c_j \not = c_k\) für \(j \not = k\).
Für \(E \subset X\) ist \(\chi _E\colon X \rightarrow \real \) mit \(\chi _E(x) = 1\) für \(x \in E\) und \(\chi _E(x) = 0\) für \(x \notin E\) die charakteristische Funktion von \(E\). \(E\) ist messbar genau dann, wenn \(\chi _E\) messbar ist.
Eine Treppenfunktion \(t\) kann als Linearkombination von charakteristischen Funktionen
\(t(x) = \sum _{k=1}^N c_i \chi _{E_i}(x)\) mit \(E_i \subset X\) paarweise disjunkt dargestellt werden, nämlich
\(E_i = \{x \in X \;|\; t(x) = c_i\} = t^{-1}(\{c_i\})\). \(t\) ist messbar genau dann, wenn alle \(E_i\) messbar sind.

Satz: Sei \(f\colon X \rightarrow \real ^\ast \) messbar.
Dann gibt es eine Folge von Treppenfunktionen \(t_n\), sodass \(\forall _{x \in X}\; \lim _{n \to \infty } t_n(x) = f(x)\).
Für \(f \ge 0\) kann man \(t_n\) monoton wählen, d. h. für fixes \(x \in X\) ist \(t_n(x)\) monoton steigend für wachsendes \(n\).

Das Lebesgue-Integral

Sei \((X, \mathcal {R}, \mu )\) ein Maßraum. Ist \(t(x) = \sum _{i=1}^n c_i \chi _{E_i}(x)\) eine messbare Treppenfunktion und
\(E \in \mathcal {R}\), so sei \(I_E(t) := \sum _{i=1}^n c_i \mu (E_i \cap E)\) das Integral von \(t\) über \(E\) mit Maß \(\mu \).

Lebesgue-Integral: Sei \(f\colon X \rightarrow \real ^\ast \), \(f \ge 0\) messbar.
Dann ist \(\int _E f d\mu := \sup _{t \text { Treppenfkt.},\; 0 \le t \le f} I_E(t)\) das Lebesgue-Integral von \(f\) über \(E\) mit Maß \(\mu \).
Für \(f\colon X \rightarrow \real ^\ast \) messbar ist \(\int _E f d\mu := \int _E f^+ d\mu - \int _E f^- d\mu \), falls mindestens eines der Integrale \(\int _E f^\pm d\mu \) endlich ist.

Beispiel: Für eine Treppenfunktion \(f = t\) gilt \(\int _E f d\mu = I_E(f)\).

Lebesgue-integrierbar: Sei \(f\colon X \rightarrow \real ^\ast \) messbar.
\(f\) heißt Lebesgue-integrierbar (\(f \in \L (E, \mu )\)), falls \(\int _E f^+ d\mu < \infty \) und \(\int _E f^- d\mu < \infty \).

Lebesgue-Maß: Für Quader \(Q \subset \real ^d\) ist das Volumen definiert als \(m(Q) = \prod _{j=1}^d (b_j - a_j)\).
\(m\) lässt sich auf \(\mathcal {E} \subset P(\real ^d)\) ausweiten (unabhängig von der konkreten Zerlegung).
Wegen \(m \ge 0\) additiv und regulär ist das äußere Maß \(m^\ast : P(\real ^d) \rightarrow \real ^\ast \) auf beliebigen Teilmengen \(E \subset \real ^d\) wohldefiniert. \(\mathcal {M}(m)\) ist eine \(\sigma \)-Algebra, auf der \(m^\ast \) \(\sigma \)-additiv ist.
Daher bildet \((\real ^d, \mathcal {M}(m), m^\ast )\) einen Maßraum. \(m^\ast \) heißt Lebesgue-Maß und die Mengen aus der Lebesgue-Algebra \(\mathcal {M}(m)\) heißen Lebesgue-messbar.

Eigenschaften:

1. \(f\) messbar, beschränkt, \(\mu (E) < \infty \) \(\Rightarrow \; f \in \L (E, \mu )\)
2. \(f\) messbar, \(\mu (E) < \infty \), \(\forall _{x \in X}\; a \le f(x) \le b\) \(\Rightarrow \; a \cdot \mu (E) \le \int _E f d\mu \le b \cdot \mu (E)\)
3. \(f, g \in \L (E, \mu )\), \(\forall _{x \in X}\; f(x) \le g(x)\) \(\Rightarrow \; \int _E f d\mu \le \int _E g d\mu \)
4. \(f \in \L (E, \mu )\), \(c \in \real \) \(\Rightarrow \; c \cdot f \in \L (E, \mu )\), \(\int _E (c \cdot f) d\mu = c \cdot \int _E f d\mu \)
5. \(f\) messbar, \(\mu (E) = 0\) \(\Rightarrow \; \int _E f d\mu = 0\)
6. \(f \in \L (E, \mu )\), \(A \in \mathcal {R}\), \(A \subset E\) \(\Rightarrow \; f \in \L (A, \mu )\)

Satz (\(\sigma \)-Additivität des Integrals bzgl. des Integrationsbereichs):
Seien \(f\colon X \rightarrow \real ^\ast \) messbar, \(f \ge 0\) sowie \(\varphi (A) := \int _A f d\mu \) für \(A \in \mathcal {R}\).
Dann ist \(\varphi \colon \mathcal {R} \rightarrow \real ^\ast \) \(\sigma \)-additiv.
Für \(f \in \L (X, \mu )\) ist \(\varphi \) ebenfalls \(\sigma \)-additiv.

Folgerungen: Ist \(f\) messbar, \(f \ge 0\) und \(A, B \in \mathcal {R}\) mit \(B \subset A\), so ist \(\int _B f d\mu \le \int _A f d\mu \).
Ist \(f\) messbar und \(A, B \in \mathcal {R}\) mit \(B \subset A\), \(\mu (A \setminus B) = 0\), so ist \(\int _A f d\mu = \int _B f d\mu \).

\(\mu \)-fast-überall: Sei \(H(\cdot )\) eine Aussageform.
\(H\) gilt \(\mu \)-fast-überall (\(\mu \)-f.ü.), falls es ein \(E \in \mathcal {R}\), \(\mu (E) = 0\) gibt, sodass \(\{x \in X \;|\; \lnot H(x)\} \subset E\).

Beispiel: Sei \(f\colon \real \rightarrow \real \) mit \(f(x) = 1\) für \(x \in \rational \) und \(f(x) = 0\) für \(x \notin \rational \), wobei \(\mu \) das Lebesgue-Maß ist (\(f = \chi _\rational \) heißt Dirichlet-Funktion). Dann ist \(\mu (\rational ) = \sum _{n=1}^\infty \mu (\{q_n\}) = 0\), wobei \(\{q_n\}_{n \in \natural }\) eine Abzählung von \(\rational \) ist. Daher ist \(\int _\real f d\mu = \int _{\real \setminus \rational } f d\mu = 0\). \(f\) ist \(\mu \)-fast-überall gleich \(0\).

Satz: Sei \(f \in \L (X, \mu )\). Dann ist auch \(|f| \in \L (X, \mu )\) und \(\left |\int _X f d\mu \right | \le \int _X |f| d\mu \).

Folgerungen:
Ist \(g \in \L (E, \mu )\), \(f\) messbar mit \(|f(x)| \le g(x)\) \(\mu \)-fast-überall, so ist \(f \in \L (E, \mu )\).
Ist \(f \in \L (X, \mu )\), dann ist \(f\) endlich \(\mu \)-fast-überall.

Das Lebesgue-Integral und Konvergenz

Im Folgenden sei \((X, \mathcal {R}, \mu )\) ein Maßraum.

Satz von Lebesgue zur monotonen Konvergenz: Seien \(f_n\colon X \rightarrow \real ^\ast \) (\(n \in \natural \)) messbare Funktionen mit \(f(x) := \lim _{n \to \infty } f_n(x)\) (bei bestimmter Divergenz \(+\infty \)) und
\(0 \le f_1(x) \le f_2(x) \le \dotsb \) für alle \(x \in X\). Dann ist \(\int _X f d\mu = \lim _{n \to \infty } \left (\int _X f_n d\mu \right )\).

Satz (Additivität bzgl. des Integranden): Seien \(f_1, f_2 \in \L (X, \mu )\).
Dann ist auch \(f_1 + f_2 \in \L (X, \mu )\) und \(\int _X (f_1 + f_2) d\mu = \int _X f_1 d\mu + \int _X f_2 d\mu \).

Folgerung: Seien \(f_k \ge 0\) messbar (\(k \in \natural \)) und \(f(x) = \sum _{k=1}^\infty f_k(x)\).
Dann ist \(\int _X f d\mu = \sum _{k=1}^\infty \left (\int _X f_k d\mu \right )\).

Lemma von Fatou: Seien \(f_n \ge 0\) messbar (\(n \in \natural \)) und \(f(x) = \liminf _{n \to \infty } f_n(x)\).
Dann ist \(\int _X f d\mu \le \liminf _{n \to \infty } \left (\int _X f_n d\mu \right )\).

Satz von Lebesgue zur majorisierten Konvergenz: Seien \(f_n\colon X \rightarrow \real ^\ast \) (\(n \in \natural \)), messbare Funktionen mit \(f(x) := \lim _{n \to \infty } f_n(x)\) und \(|f_n(x)| \le g(x)\) für alle \(x \in X\), \(n \in \natural \) mit \(g \in \L (X, \mu )\).
Dann ist \(f \in \L (X, \mu )\) und \(\int _X f d\mu = \lim _{n \to \infty } \left (\int _X f_n d\mu \right )\).

Das Lebesgue- und das Riemann-Integral

Sei nun \(X = [a, b] \subset \real \) mit dem Lebesgue-Maß \(\mu \) auf \(\real \). Im Folgenden bezeichnen \(\int _a^b f(x)\dx \) das Riemann-Integral und \(\int _{[a,b]} f d\mu \) das Lebesgue-Integral.

Satz von Lebesgue:
a) Sei \(f \in \R [a, b]\) Riemann-integrierbar. Dann ist \(f \in \L ([a,b], \mu )\) und \(\int _{[a,b]} f d\mu = \int _a^b f(x)\dx \).
b) Sei \(f\) messbar. Dann ist \(f \in \R [a, b]\) genau dann, wenn \(f\) auf \([a, b]\) \(\mu \)-f.ü. stetig ist.
Für \(f \ge 0\) und \(\int _X f d\mu = 0\) gilt \(f(x) = 0\) \(\mu \)-f.ü.

Anmerkung: Ist \(f \in \L ([a, b], \mu )\) mit \(F(x) := \int _{[a, x]} f d\mu \), so ist \(F’(x) = f(x)\) \(\mu \)-f.ü.
Die Umkehrung gilt mit \(\mu \)-f.ü. nicht!

Vergleich von Riemann- und Lebesgue-Integral:

Riemann-Integral

Lebesgue-Integral

gerichtet, d. h. \(\int _a^b \dx = -\int _b^a \dx \)

nicht gerichtet, \(\int _{[a,b]} d\mu \)

Ist \(f \in \R [a, b]\), so ist \(f\) beschränkt.

Ist \(f \in \L ([a, b], \mu )\), so ist \(|f|\) endlich \(\mu \)-f.ü.

nur auf \(X = [a, b]\) definiert

auch \(\mu (X) = \infty \) möglich, für \(f \in \L (X, \mu )\) gilt dabei, dass \(\{x \in X \;|\; f(x) \not = 0\}\) \(\sigma \)-finit ist, d. h. abzählbare Vereinigung von Mengen mit endlichem Maß

\(\int _{-\infty }^{+\infty } = \lim _{R_1 \to \infty } \int _0^{R_1} + \lim _{R_2 \to \infty } \int _{-R_2}^0\), z. B. \(\frac {\sin x}{x}\) ist uneigentlich Riemann-integrierbar, da sich Bereiche unterschiedlichen Vorzeichens auslöschen können

\(\frac {\sin x}{x} \notin \L (\real , \mu )\), denn das Lebesgue-Integral kennt keine Auslöschungseffekte (\(f^\pm \) werden getrennt betrachtet)

Beim Lebesgue-Integral lässt sich mit den drei Konvergenzsätzen (monotone/majorisierte Konvergenz, Lemma von Fatou) aus der punktweisen Konvergenz und zusätzlichen Bedingungen ein Zusammenhang zwischen \(\lim _{n \to \infty } \left (\int f_n d\mu \right )\) und \(\int f d\mu \) herstellen. Weil sich die \(\int f_n d\mu \) und damit auch \(\int f d\mu \) bei einer Änderung von \(f_n\) auf einer Nullmenge nicht verändern, müssen die Voraussetzungen nur für \(x \in X \setminus E\), \(\mu (E) = 0\) erfüllt sein, d. h. nur \(\mu \)-fast-überall.

Die Funktionenräume L^p(X, μ)

Wie immer sei \((X, \mathcal {R}, \mu )\) ein Maßraum. Man kann eine Äquivalenzrelation \(\sim \) auf der Menge der messbaren Funktionen von \(X\) nach \(\real ^\ast \) definieren mit \(f \sim g \;\Leftrightarrow \; f(x) = g(x)\) \(\mu \)-f.ü. mit \(f, g\colon X \rightarrow \real ^\ast \) messbar. Die Äquivalenzklasse von \(f\) sei \(\widehat {f}\).

\(L^p\)-Raum: \(\widehat {f} \in L^p(X, \mu ) \;\Leftrightarrow \; |f|^p \in \L (X, \mu )\) für \(f \in \widehat {f}\),
\(\widehat {f} \in L^\infty (X, \mu ) \;\Leftrightarrow \; \exists _{c \in \real }\; |f(x)| \le c\) \(\mu \)-f.ü. für \(f \in \widehat {f}\).

Man schreibt auch \(f \in L^p = L_p\) und \(f \in L^\infty \).

Norm im \(L^p\)-Raum: \(\norm {f}_p := \left (\int _X |f|^p d\mu \right )^{1/p}\) und \(\norm {f}_\infty := \inf \{c \in \real \;|\; |f(x)| \le c\; \mu \text {-f.ü.}\}\).

Satz (Höldersche Ungleichung): Seien \(1 \le p, q \le \infty \) mit \(\frac {1}{p} + \frac {1}{q} = 1\) und \(f \in L^p\), \(g \in L^q\).
Dann ist \(f \cdot g \in L^1\) und \(\norm {f \cdot g}_1 \le \norm {f}_p \norm {g}_q\), d. h. \(\int _X |fg| d\mu \le \left (\int _X |f|^p d\mu \right )^{1/p} \cdot \left (\int _X |g|^q d\mu \right )^{1/q}\).

Satz (Minkowskische Ungleichung): Seien \(1 \le p \le \infty \) und \(f, g \in L^p\).
Dann ist \(f + g \in L^p\) und \(\norm {f + g}_p \le \norm {f}_p + \norm {g}_p\).

Also ist \(\norm {f}_p\) bzw. \(\norm {f}_\infty \) eine Norm auf \(L^p(X, \mu )\) bzw. \(L^\infty (X, \mu )\).

Satz: \(L^p(X, \mu )\) ist mit der Norm \(\norm {\cdot }_p\) vollständig, d. h.
für \(1 \le p \le \infty \) ist \(L^p(X, \mu )\) ein Banachraum.

wichtige Spezialfälle:

  • \(L^1(X, \mu )\) enthält genau die integrierbaren Funktionen, d. h. „\(L^1(X, \mu ) = \L (X, \mu )\)“, wobei \(\mu \)-f.ü. identische Funktionen miteinander identifiziert werden.

  • Auf \(L^2(X, \mu )\) kann man ein Skalarprodukt \(\langle f, g \rangle := \int _X f \overline {g} d\mu \) definieren mit
    \(f, g \in L^2(X, \mu )\). (Alles bisher Genannte für Lebesgue-Integrale lässt sich auch komponentenweise auf komplex- und vektorwertige Funktionen in den \(\field ^n\) übertragen.)
    Damit wird \(L^2(X, \mu )\) zu einem Hilbertraum.

  • Wählt man \(X = \natural \) als Grundmenge, \(\R = 2^\natural \) als \(\sigma \)-Algebra und das Zählmaß \(\mu \) auf \(\R \) (d. h. \(\mu (M) = \#\{m \in M\} = \card (M)\) für \(M \subset \natural \)), so ist jede Funktion \(f: X = \natural \rightarrow \real \) eine Folge \(f_n = f(n)\) und für die \(p\)-Norm ergibt sich dann \(\norm {f}_p = \left (\int _\natural |f|^p d\mu \right )^{1/p} = \left (\sum _{n=1}^\infty |f_n|^p\right )^{1/p}\). Den entstehenden Raum \(L^p(\natural , \mu )\) bezeichnet man als \(\ell ^p\)-Raum.

  • Für \(X = [a,b]\) und dem Lebesgue-Maß \(\mu \) ist \(\C _0^\infty [a,b]\) die Menge der glatten Funktionen mit kompaktem Träger. Diese liegen dicht in \(L^p([a,b], \mu )\) für \(1 \le p < \infty \).

Weitere Konvergenzaussagen

Sei \((X, \R , \mu )\) ein Maßraum mit \(\mu (X) < \infty \).
Eine Funktionenfolge \(\{f_n\}_{n \in \natural }\) konvergiert gleichmäßig gegen eine Funktion \(f\) (\(f_n \rightrightarrows f\)), falls \(\forall _{\varepsilon > 0} \exists _{N_\varepsilon \in \natural } \forall _{n \ge N_\varepsilon } \forall _{x \in X}\; |f_n(x) - f(x)| < \varepsilon \). \(\{f_n\}_{n \in \natural }\) konvergiert punktweise gegen \(f\) \(\mu \)-fast-überall, (\(f_n \xrightarrow [\mu \text {-f.ü.}]{(\cdot )} f\)), falls \(\mu (\{x \in X \;|\; f_n(x) \not \to f(x)\}) = 0\).

Satz von Egorov: Seien \(\mu (X) < \infty \) sowie \(f_n \xrightarrow [\mu \text {-f.ü.}]{(\cdot )} f\) messbare Funktionen.
Dann gilt \(\forall _{\delta > 0} \exists _{E_\delta \in \R }\) \(\mu (X \setminus E_\delta ) < \delta \), \(f_n|_{E_\delta } \rightrightarrows f|_{E_\delta }\).

Konvergenz im Maß: \(f_n\) konvergiert im Maß gegen \(f\), d. h. \(f_n \xrightarrow {\mu } f\), falls
\(\forall _{\delta > 0}\; \lim _{n \to \infty } \mu (\{x \in X \;|\; |f_n(x) - f(x)| \ge \delta \}) = 0\).

Satz: Aus \(f_n \xrightarrow [\mu \text {-f.ü.}]{(\cdot )} f\) folgt \(f_n \xrightarrow {\mu } f\). Die Umkehrung gilt nicht!

Satz: Aus \(f_n \xrightarrow {\mu } f\) folgt, dass es eine Teilfolge \(f_{n_k}\) gibt mit \(f_{n_k} \xrightarrow [\mu \text {-f.ü.}]{(\cdot )} f\).

Für \(\mu (X) < \infty \) ergibt sich also folgendes Diagramm:

(1.1–1.0) \{begin}{align*} \begin{xy} \xymatrix { & f_n \rightrightarrows f \ar @{=>}[dl] \ar @{=>}[dr] & \\ f_n \xrightarrow {L^2} \ar @{=>}[d] f & & f_n
\xrightarrow [\mu \text {-f.ü.}]{(\cdot )} f \ar @{=>}[d] \ar @/_ 10mm/[ul]_{\text {auf } E_\delta \text { (Egorov})} \\ f_n \xrightarrow {L^1} f \ar @{=>}[rr] & & f_n
\xrightarrow {\mu } f \ar @/_ 10mm/[u]_{\text {auf TF}} } \end {xy} \{end}{align*}