Im Folgenden geht es um die Approximation der typischen Randwertprobleme. Im Allgemeinen hat dabei die DGL für die Lösung \(u\) eine schwache Formulierung als Variationsproblem \(a(u, v) = \lambda (v)\), \(v \in H\), wobei \(H\) ein Hilbertraum ist, in dem die Randbedingungen verarbeitet sind. Die Ritz-Galerkin-Approximation \(u_h = \sum _{i \in I} u_i B_i\) erhält man einfach durch Ersetzung von \(u\) durch \(u_h\) und von \(v\) durch die Basisfunktionen \(B_k\).

Wesentliche Randbedingungen

Wesentliche Randbedingungen sind Randbedingungen, die in die FE-Unterräume eingearbeitet werden müssen und daher eine Gewichtsfunktion benötigen. Dagegen sind natürliche Randbedingungen automatisch durch die Lösungen der Variationsprobleme erfüllt und erlauben eine einfachere Approximation.

Poisson-Problem mit inhomogenen Dirichlet-Randbedingungen: Das typische Modellproblem für wesentliche Randbedingungen ist das Poisson-Problem mit inhomogenen
Dirichlet-Randbedingungen
:

\begin{align*} -\Delta \varphi = f \text { in } D,\quad \varphi = g \text { auf } \partial D. \end{align*}

Durch Setzen von \(\varphi = u + \widetilde {g}\) können die inhomogenen Randbedingungen eliminiert werden, wobei \(u \in H_0^1(D)\) und \(\widetilde {g}\) eine Erweiterung von \(g\) auf \(D\) ist. Durch Multiplikation der DGL mit \(v \in H_0^1(D)\) und partielle Integration erhält man mit dem Satz von Lax-Milgram folgende Aussage.

Dirichlet-Problem: Das inhomogene Dirichlet-Problem mit zugehöriger Bilinearform und zugehörigem linearen Funktional

\begin{align*} a(u, v) := \int _D \grad u \grad v,\quad \lambda (v) := \int _D (fv - \grad \widetilde {g} \grad v) \end{align*} hat eine eindeutige Lösung \(\varphi = u + \widetilde {g}\) mit \(u \in H_0^1(D)\), wenn \(f\) und \(\grad \widetilde {g}\) quadrat-integrierbar sind.

Für die Ritz-Galerkin-Approximation \(a(u_h, B_i) = \lambda (B_i)\), \(i \in I\), kann jeder der Räume \(w\BB _h\), \(w^\e \BB _h\) und \(w\BB _h(\DD )\) verwendet werden, wobei \(w\) eine Gewichtsfunktion der Ordnung \(1\) ist, die auf dem ganzen Rand \(\partial D\) verschwindet. Die einfacheren gewichteten Splines \(w\BB _h\) sind für kleine Systeme gut geeignet, wo Stabilität keine große Rolle spielt. Hierarchische Verfeinerung wird bei Lösungen mit Singularitäten empfohlen.

Für die Berechnung der rechten Seite des Ritz-Galerkin-Systems ist eine Erweiterung \(\widetilde {g}\) der Randdaten nötig. Wenn kein exakter analytischer Ausdruck verfügbar ist, kann eine Linearkombination von B-Splines

\begin{align*} \widetilde {g} \approx \widetilde {g}_h := \sum _{k \in \partial K} g_k b_k \end{align*} verwendet werden, die durch die Minimierung von \(\int _{\partial D} |g - \widetilde {g}_h|^2\) definiert ist. Die Menge \(\partial K\) enthält all die Indizes \(k\), für die \(b_k\) auf \(\partial D\) nicht verschwindet. Bei Gebieten, die durch die R-Methode definiert sind, kann sogenannte transfinite Interpolation verwendet werden.

Approximationsfehler für das Dirichlet-Problem: Wenn der Rand, die Gewichtsfunktion und die Daten \(f, g\) glatt sind, approximieren WEB-Splines mit optimaler Approximationsordnung. Aus Céas Ungleichung und der Ungleichung von Jackson folgt

\begin{align*} \norm {e_h}_1 \preceq h^n \norm {u}_{n+1}. \end{align*} Für den \(L^2\)-Fehler gewinnt man durch das Aubin-Nitsche-Dualitätsprinzip einen Faktor \(h\) und erhält

\begin{align*} \norm {e_h}_0 \preceq h^{n+1} \norm {u}_{n+1} \end{align*} (die Konstanten hängen von \(D\), \(w\) und \(n\) ab).

Natürliche Randbedingungen

Neumann-Problem: Das Neumann-Problem lautet

\begin{align*} -\Delta u = f \text { in } D,\quad \partial ^\perp u = g \text { auf } \partial D, \end{align*} wobei \(\partial ^\perp \) die Normalenableitung bezeichnet, d. h. \(\partial ^\perp u = \xi \grad u\) mit \(\xi \) der nach außen zeigenden Einheitsnormalen zu \(\partial D\).

Kompatibilitätsbedingungen: Integriert man die Gleichung \(-\Delta u = f\), so erhält man mit der Formel \(\int _D \partial _\nu u = \int _{\partial D} \xi _\nu u\)

\begin{align*} \int _D f = -\int _D \Delta u = -\int _{\partial D} \partial ^\perp u, \end{align*} d. h. damit überhaupt eine Lösung existiert, müssen die Daten die Kompatibilitätsbedingungen

\begin{align*} \int _D f = -\int _{\partial D} g \end{align*} erfüllen.

Herleitung der schwachen Formulierung: Durch Multiplikation der Gleichung mit einer Testfunktion \(v\) und partielle Integration

\begin{align*} -\int _D (\Delta u) v = \int _D \grad u \grad v -\int _{\partial D} (\partial ^\perp u) v = \int _D fv \end{align*} (\(v\) verschwindet hier nicht auf dem Rand) erhält man die schwache Formulierung

\begin{align*} \int _D \grad u \grad v = \int _D fv + \int _{\partial D} gv, \end{align*} wobei die Randbedingungen auf „natürliche“ Weise auf der rechten Seite eingesetzt wurden. Die rechte Seite ist ein beschränktes, lineares Funktional \(\lambda \), was man mit \(\norm {u}_{0,\partial D} \preceq \norm {u}_1\) (die Beschränkung auf den Rand ist eine beschränkte Abbildung von \(H^1(D)\) nach \(L^2(\partial D)\)) und der Ungleichung von Cauchy-Schwarz leicht zeigen kann. Die Bilinearform \(a\) auf der linken Seite ist auch beschränkt auf \(H^1\) (Cauchy-Schwarz).

Um eine Eindeutigkeitsaussage für die Lösbarkeit des Variationsproblems zu erhalten, muss man jedoch einen anderen Raum verwenden, da in \(H^1\) die Summe \(u + c\) ebenfalls eine Lösung ist, wenn \(u\) eine Lösung ist – die Bilinearform ist nicht nach unten beschränkt, weil sie auf Konstanten verschwindet (beim Dirichlet-Problem hat \(H_0^1\) keine Konstanten ungleich null zugelassen). Dazu geht man zum Unterraum

\begin{align*} H_\perp ^1 := \left \{u \in H^1 \;\left |\; \int _D u = 0\right .\right \} \end{align*} über. Mit der Projektion

\begin{align*} P_0 u := \left (\int _D u\right )\left /\left (\int _D 1\right )\right . \end{align*} auf Konstanten, die auf \(H_\perp ^1\) gleich null ist, erhält man mit dem Bramble-Hilbert-Lemma

\begin{align*} \norm {u}_0^2 = \norm {u - P_0 u}_0^2 \preceq |u|_1^2 = a(u, u), \end{align*} was die Elliptizität von \(a\) zeigt. Somit kann man den Satz von Lax-Milgram anwenden.

Neumann-Problem:
Das Neumann-Problem mit zugehöriger Bilinearform und zugehörigem linearen Funktional

\begin{align*} a(u, v) := \int _D \grad u \grad v,\quad \lambda (v) := \int _D fv + \int _{\partial D} gv \end{align*} hat eine eindeutige Lösung \(u \in H_\perp ^1\), wenn die Kompatibilitätsbedingung

\begin{align*} \int _D f = -\int _{\partial D} g \end{align*} erfüllt ist sowie \(f\) und \(g\) quadrat-integrierbar sind.

schwache und klassische Lösungen des Neumann-Problems:
Für \(f, g \in L^2(D)\) haben die Variationsgleichungen

\begin{align*} a(u, v) = \int _D \grad u \grad v = \int _D fv + \int _{\partial D} gv = \lambda (v),\quad v \in H_\perp ^1(D), \end{align*} eine eindeutige schwache Lösung \(u \in H_\perp ^1(D)\). Ist zusätzlich \(u\) glatt und die Kompatibilitätsbedingung \(\int _D f = -\int _{\partial D} g\) erfüllt, so gilt

\begin{align*} -\Delta u = f \text { in } D,\quad u = g \text { auf } \partial D, \end{align*} d. h. \(u\) ist die klassische Lösung.

Ritz-Galerkin-Approximation des Neumann-Problems: Sei die Kompatibilitätsbedingung \(\int _D f = -\int _{\partial D} g\) erfüllt und \(u \in H_\perp ^1(D)\) glatt, wobei \(u\) die Lösung des Neumann-Problems \(\forall _{v \in H_\perp ^1(D)}\; a(u, v) = \lambda (v)\). Dann hat der Fehler einer beliebigen Ritz-Galerkin-Approximation \(u_h\) aus den Räumen \(\BB _h\) oder \({}^\e \BB _h\) (WEB-Splines mit \(w = 1\)) optimale Fehlerordnung:

\begin{align*} \norm {u - \widetilde {u}_h}_{\nu ,D} = \O (h^{n+1-\nu }),\quad \nu = 0, 1, \end{align*} wobei \(\widetilde {u}_h\) die Projektion von \(u_h\) auf \(H_\perp ^1(D)\) bezeichnet.

Gemischte Probleme mit variablen Koeffizienten

Das folgende Problem ist eine Verallgemeinerung der beiden Probleme, die weiter oben beschrieben wurden. Die Beschränkung auf homogene Dirichlet-Randbedingungen stellt keine Einschränkungen dar (siehe oben).

allgemeines elliptisches Problem 2. Ordnung:
Ein allgemeines elliptisches Problem 2. Ordnung lautet

\begin{align*} -\div (A \grad u) + a_0 u &= f \quad \text {in } D,\\ u &= 0 \quad \text {auf } \Gamma ,\\ A \grad u \xi + \alpha u &= g \quad \text {auf } \partial D \setminus \Gamma . \end{align*} Dabei ist \(A(x)\) eine symmetrische, positiv definite Matrix, die auf \(\overline {D}\) glatt ist, \(a_0\) und \(\alpha \) sind beschränkte, nicht-negative Funktionen, \(\Gamma \subset \partial D\) ist eine Teilmenge des Rands mit nicht-verschwindendem \((m - 1)\)-dimensionalem Maß und \(\xi \) ist die Einheitsaußennormale für \(\partial D\).

Beispiel: Ein häufig verwendeter Fall ist \(A = a(x) \cdot E\), d. h. \(A\) ist ein Vielfaches der Einheitsmatrix. In diesem Fall ist nämlich \(A \grad u = a \grad u\), d. h. \(\div (A \grad u) = \sum _\nu \partial _\nu (a \grad u)_\nu = a \Delta u + \grad a \grad u\).

Gegenbeispiel: Die Annahmen über die Vorzeichen von \(a_0\) und \(\alpha \) sind für die Existenz einer eindeutigen Lösung notwendig. Betrachtet man \(-u’’ + a_0 u = 0\) mit \(u(0) = 0\) und \(u’(1) + \alpha u(1) = 1\), so sieht man, dass es für bestimmte Werte von \(a_0\) und \(\alpha \) keine Lösung gibt, wenn man \(a_0, \alpha \ge 0\) nicht voraussetzt.

Herleitung der schwachen Formulierung: Durch Multiplikation mit \(v\) mit \(v = 0\) auf \(\Gamma \) und partielle Integration erhält man

\begin{align*} \int _D (-\div (A \grad u)v + a_0 u v) = \int _D fv. \end{align*} Das Integral des ersten Summanden ist gleich \(-\int _D \div (A \grad u) v = -\sum _\nu \int _D \partial _\nu (A \grad u)_\nu v = \sum _\nu \int _D (A \grad u)_\nu \partial _\nu v - \sum _\nu \int _{\partial D} (A \grad u)_\nu v \xi _\nu = \int _D A \grad u \grad v - \int _{\partial D} (A \grad u) v \xi \).
Wegen \((A \grad u) v \xi = gv - \alpha uv\) erhält man folgende schwache Formulierung.

Lösung von allgemeinen elliptischen Problemen 2. Ordnung: Ein allgemeines elliptisches Problem 2. Ordnung besitzt die Bilinearform und das lineare Funktional

\begin{align*} a(u, v) := \int _D (A \grad u \grad v + a_0 uv) + \int _{\partial D \setminus \Gamma } \alpha uv,\quad \lambda (v) := \int _D fv + \int _{\partial D \setminus \Gamma } gv. \end{align*} Es besitzt eine eindeutige schwache Lösung \(u \in H_\Gamma ^1\), wenn \(f\) und \(g\) quadrat-integrierbar sind.
Dabei ist

\begin{align*} H_\Gamma ^1 := \{u \in H^1 \;|\; u = 0 \text { auf } \Gamma \}. \end{align*}

Biharmonische Gleichung

eingespannte Platte: Das folgende Problem tritt zum Beispiel bei einer horizontal eingespannten Platte auf, auf die eine transversale Kraft \(f\) wirkt. Die Position \(u\) der Platte bestimmt sich durch Minimierung der potentiellen Energie

\begin{align*} \Q (u) = \frac {1}{2} \int _D \left (|\Delta u|^2 + 2(1 - \nu ) (|\partial _1 \partial _2 u|^2 - (\partial _1^2 u) (\partial _2^2 u)\right ) - \int _D fu,\quad u \in H_0^2, \end{align*} wobei \(H_0^2 = \{u \in H^2 \;|\; u = \partial ^\perp u = 0 \text { auf } \partial D\}\) und \(\nu = \lambda /(2(\lambda + \mu )) \in (0, 1/2)\) der PoissonKoeffizient der Platte ist, der durch die Lamé-Konstanten \(\lambda \) und \(\mu \) bestimmt ist. Es gilt

\begin{align*} \int _D (\partial _1 \partial _2 u) (\partial _1 \partial _2 u) = -\int _D (\partial _1^2 \partial _2 u) (\partial _2 u) = \int _D (\partial _1^2 u) (\partial _2^2 u), \end{align*} da aus \(u = \partial ^\perp u = 0\) auf \(\partial D\) folgt, dass \(\grad u = 0\) auf \(\partial D\). Dadurch vereinfacht sich das Funktional zu

\begin{align*} \Q (u) = \frac {1}{2} \int _D |\Delta u|^2 - \int _D fu. \end{align*}

biharmonisches Randwertproblem: Das biharmonische Randwertproblem lautet

\begin{align*} \Delta ^2 u = f \text { in } D,\quad u = \partial ^\perp u = 0 \text { auf } \partial D. \end{align*}

Herleitung der schwachen Formulierung: Durch Multiplikation mit \(v\) mit \(v = \partial ^\perp v = 0\) auf \(\partial D\) und partielle Integration erhält man

\begin{align*} \int _D (\Delta ^2 u) v = \int _D fv. \end{align*} Das erste Integral ist gleich \(\int _D (\Delta (\Delta u)) v = \sum _\nu \int _D (\partial _\nu ^2 (\Delta u)) v\)
\(= -\sum _\nu \int _D (\partial _\nu (\Delta u)) (\partial _\nu v) + \sum _\nu \int _{\partial D} (\partial _\nu (\Delta u)) v \xi _\nu \)
\(= \int _D (\Delta u) (\Delta v) - \int _{\partial D} (\Delta u) \grad v \xi + \int _{\partial D} \grad (\Delta u) v \xi = \int _D (\Delta u) (\Delta v)\) wegen \(v = \grad v \xi = 0\).

Die Bilinearform \(a(u, v) = \int _D (\Delta u) (\Delta v)\) ist elliptisch, da \(|a(u, v)| \le \norm {\Delta u}_0 \norm {\Delta v}_0 \le \norm {u}_2 \norm {v}_2\) nach der Ungleichung von Cauchy-Schwarz – für die untere Schranke benutzt man

\begin{align*} a(u, u) = \int _D |\partial _1^2 u + \partial _2^2 u|^2 = \int _D \left (|\partial _1^2 u|^2 + 2|\partial _1 \partial _2 u|^2 + |\partial _2^2 u|^2\right ) = |u|_2^2 \end{align*} wegen \(\int _D (\partial _1^2 u)(\partial _2^2 u) = \int _D |\partial _1 \partial _2 u|^2\) (siehe oben). Aufgrund der Poincaré-Friedrichs-Ungleichung

\begin{align*} |u|_0^2 \preceq |u|_1^2,\quad |u|_1^2 = \sum _\nu |\partial _\nu u|_0^2 \preceq \sum _\nu |\partial _\nu u|_1^2 = \sum _{\nu ,\mu } \int _D |\partial _\mu \partial _\nu u|^2 = |u|_2^2, \end{align*} folgt \(\norm {u}_2^2 = |u|_0^2 + |u|_1^2 + |u|_2^2 \preceq |u|_2^2 = a(u, u)\).

Lösung des biharmonischen Randwertproblems: Das biharmonische Randwertproblem besitzt die Bilinearform und das lineare Funktional

\begin{align*} a(u, v) := \int _D (\Delta u) (\Delta v),\quad \lambda (v) := \int _D fv. \end{align*} Es besitzt eine eindeutige schwache Lösung \(u \in H_0^2\), wenn \(f\) quadrat-integrierbar ist.

Lineare Elastizität

Elastizitäts-Simulationen waren einer der Auslöser für die Entwicklung der FE-Methode und stellen heute noch einen wichtigen Zweig der FE-Analysis dar. Dabei wird ein elastischer Körper, der ein Volumen \(\overline {D}\) belegt, an einem Teil \(\Gamma \) des Rands fixiert und einer Volumenkraft auf \(D\) bzw. einer Randkraft auf \(\partial D \setminus \Gamma \) mit Dichten \((f_1, f_2, f_3)\) bzw. \((g_1, g_2, g_3)\) ausgesetzt. Diese Kräfte bewirken kleine Deformationen des Körpers, die durch eine Verschiebung \(u(x) \in \real ^3\) der Materialpunkte \(x \in D\) beschrieben werden. Normalerweise ist \(u\) sehr klein, größere Verschiebungen zeigen das Vorhandensein riesiger Kräfte an.

Lamé-Navier-Gleichungen: Die Lamé-Navier-Gleichungen der linearen Elastizität lauten

\begin{align*} -\div \sigma (u) &= f \quad \text {in }D,\\ u &= 0 \quad \text {auf } \Gamma ,\\ \sigma (u) \xi &= g \quad \text {auf } \partial D \setminus \Gamma . \end{align*} Dabei ist

\begin{align*} \varepsilon _{k,\ell }(u) &:= \frac {1}{2} (\partial _k u_\ell + \partial _\ell u_k),\\ \sigma _{k,\ell }(u) &:= \lambda \trace \varepsilon (u) \delta _{k,\ell } + 2\mu \varepsilon _{k,\ell }(u) \end{align*} für \(k, \ell = 1, 2, 3\), wobei \(\trace \varepsilon := \varepsilon _{1,1} + \varepsilon _{2,2} + \varepsilon _{3,3}\).

Die Divergenz \(\div \sigma \) der Matrix \(\sigma \) ist zeilenweise definiert, d. h. \((\div \sigma )_k := \sum _\nu \partial _\nu \sigma _{\nu ,k}\). Die Konstanten \(\lambda \) und \(\mu \) sind die Lamé-Koeffizienten, die die Elastizitätseigenschaften des Materials beschreiben. Die zweite Gleichung, die den Spannungstensor \(\sigma \) mit dem Verzerrungstensor \(\varepsilon \) (symmetrisierter Gradient) in Verbindung bringt, ist auch als hookesches Gesetz bekannt.

Herleitung der schwachen Formulierung: Durch Multiplikation mit \(v\) mit \(v_\ell = 0\) auf \(\Gamma \) (\(\ell = 1, 2, 3\)) erhält man

\begin{align*} -\int _D (\div \sigma (u)) v = \int _D fv. \end{align*} Ausgeschrieben ist die linke Seite gleich \(-\sum _\ell \int _D (\div \sigma (u))_\ell v_\ell = -\sum _{k,\ell } \int _D (\partial _k \sigma _{k,\ell }(u)) v_\ell \). Durch partielle Integration erhält man \(\sum _{k,\ell } \int _D \sigma _{k,\ell }(u) (\partial _k v_\ell ) - \sum _{k,\ell } \int _{\partial D} \sigma _{k,\ell }(u) v_\ell \xi _k\). Der erste Summand ist gleich \(\frac {1}{2} \big (\sum _{k,\ell } \int _D \sigma _{k,\ell }(u) (\partial _k v_\ell ) + \sum _{k,\ell } \int _D \sigma _{k,\ell }(u) (\partial _\ell v_k)\big ) = \sum _{k,\ell } \int _D \sigma _{k,\ell }(u) \varepsilon _{k,\ell }(v)\) wegen \(\sigma \) symmetrisch (\(\sigma _{k,\ell } = \sigma _{\ell ,k}\)). Der zweite Summand ist gleich \(-\int _{\partial D \setminus \Gamma } \sigma (u) \xi v = -\int _{\partial D \setminus \Gamma } gv\) wegen \(v_\ell = 0\) auf \(\Gamma \). Damit erhält man folgende Variationsform.

Elastizitätsproblem: Die Lamé-Navier-Gleichungen besitzen die Variationsform mit der Bilinearform und dem linearen Funktional

\begin{align*} a(u, v) := \int _D \sigma (u):\varepsilon (v),\quad \lambda (v) := \int _D fv + \int _{\partial D \setminus \Gamma } gv, \end{align*} wobei

\begin{align*} \sigma :\varepsilon := \sum _{k,\ell =1}^3 \sigma _{k,\ell } \varepsilon _{k,\ell }. \end{align*} Die schwache Formulierung besitzt eine eindeutige Lösung \((u_1, u_2, u_3) \in H_\Gamma ^1(D)^3\), wenn
\(f \in L^2(D)^3\) und \(g \in L^2(\partial D \setminus \Gamma )^3\).

Weil der Integrand von \(a(u, v)\) nur Ableitungen erster Ordnung beinhaltet, ist die Beschränktheit von \(a\) im Raum \((H_\Gamma ^1)^3\) einfach nachzuweisen, wobei der Raum mit der Produktnorm \(\norm {u}_1 := \left (\sum _{\nu =1}^3 \norm {u_\nu }_1^2\right )^{1/2}\) ausgestattet ist. Die Abschätzung nach unten ist allerdings viel schwieriger, für sie wird die sog. Korn-Ungleichung benötigt.

Ritz-Galerkin-Approximiation des Lamé-Navier-Systems:
Wenn man WEB-Splines als Basis für den FE-Teilraum verwendet, dann wird jede Komponente \(u_\nu \) des Vektors \(u\) separat durch eine Linearkombination

\begin{align*} (u_h)_\nu = \sum _{i \in I} u_{i,\nu } B_i \end{align*} approximiert, wobei \(B_i|_\Gamma = 0\). Man kann dies auch äquivalent schreiben als

\begin{align*} u_h = \sum _{i,\nu } u_{i,\nu } B_{i,\nu },\qquad B_{i,1} := (B_i, 0, 0),\quad B_{i,2} := (0, B_i, 0),\quad B_{i,3} := (0, 0, B_i). \end{align*} Bis auf die Doppelindizes erhält man also die übliche Form \(u_h = \sum _j u_j B_j\). Daher hat das Ritz-Galerkin-System \(GU = F\) Blockstruktur. Der Block \((k, i)\) von \(G\) ist die \((3 \times 3)\)-Matrix mit Einträgen

\begin{align*} \int _D \sigma (B_{i,\nu }):\varepsilon (B_{k,\ell }),\quad \ell , \nu = 1, 2, 3, \end{align*} und der \(k\)-te Block des Vektors \(F\) ist der \(3\)-Vektor mit Komponenten

\begin{align*} \int _D f B_{k,\ell } + \int _{\partial D \setminus \Gamma } g B_{k,\ell } = \int _D f_\ell B_k + \int _{\partial D \setminus \Gamma } g_\ell B_k,\quad \ell = 1, 2, 3. \end{align*} Weil die Basisfunktionen \(B_{i,\nu }\) nur in einer Komponente nicht null sein können, vereinfachen sich die Tensoren \(\sigma \) und \(\varepsilon \) etwas. Beispielsweise gilt

\begin{align*} \varepsilon (B_{k,1}) = \begin{pmatrix}\partial _1 B_k & \frac {1}{2} \partial _2 B_k & \frac {1}{2} \partial _3 B_k\\ \frac {1}{2} \partial _2 B_k & 0 & 0\\ \frac {1}{2} \partial _3 B_k & 0 & 0\end {pmatrix},\quad \sigma (B_{i,1}) = \lambda (\partial _1 B_i) I_3 + 2\mu \varepsilon (B_{i,1}) \end{align*} mit \(I_3\) der \((3 \times 3)\)-Einheitsmatrix.

Plane-Strain- und Plane-Stress-Modell

Die folgenden zwei Modelle sind Spezialfälle der oben vorgestellten Elastizitätsgleichung.

Herleitung des Plane-Strain-Modells: Beim Plane-Strain-Modell (Modell der ebenen Verzerrung) geht man von einem konstanten, horizontalen Schnitt \(D\) aus, der horizontalen Kräften ausgesetzt wird (d. h. keine vertikale Verschiebung). Unter diesen Voraussetzungen ist \(\varepsilon _{3,\ell } = \varepsilon _{\ell ,3} = 0\) für \(\ell = 1, 2, 3\). Das hookesche Gesetz vereinfacht sich zu

\begin{align*} \begin{pmatrix}\sigma _{1,1} & \sigma _{1,2} & 0\\\sigma _{2,1} & \sigma _{2,2} & 0\\ 0 & 0 & \sigma _{3,3}\end {pmatrix} = \lambda (\varepsilon _{1,1} + \varepsilon _{2,2}) \begin{pmatrix}1&0&0\\0&1&0\\0&0&1\end {pmatrix} + 2\mu \begin{pmatrix}\varepsilon _{1,1} & \varepsilon _{1,2} & 0\\ \varepsilon _{2,1} & \varepsilon _{2,2} & 0\\0 & 0 & 0\end {pmatrix}. \end{align*} Durch die Einführung von

\begin{align*} \underline {\varepsilon } := (\varepsilon _{1,1}, \varepsilon _{2,2}, \varepsilon _{1,2}),\quad \underline {\sigma } := (\sigma _{1,1}, \sigma _{2,2}, \sigma _{1,2}), \end{align*} sowie durch Umschreiben

\begin{align*} \lambda = \frac {E\nu }{(1 + \nu )(1 - 2\nu )},\quad \mu = \frac {E}{2(1 + \nu )}, \end{align*} der Lamé-Koeffizienten \(\lambda \) und \(\mu \) in Abhängigkeit von dem Poisson-Verhältnis \(\nu \in (0, 1/2)\) und dem Young-Modulus \(E > 0\) erhält man die zweidimensionale Spannungs-/Verzerrungsrelation

\begin{align*} \underline {\sigma } = Q_{\text {strain}} \underline {\varepsilon },\quad Q_{\text {strain}} := \frac {E}{(1 + \nu )(1 - 2\nu )} \begin{pmatrix}1 - \nu &\nu &0\\\nu &1 - \nu &0\\0&0&1-2\nu \end {pmatrix}. \end{align*} Im elementweisen Produkt \(\sigma :\varepsilon \) taucht der gemischte Term \(\sigma _{1,2} \varepsilon _{1,2}\) doppelt auf, was in der Bilinearform berücksichtigt werden muss.

Plane-Strain-Modell: Wenn \(f\) und \(g\) quadrat-integrierbare Dichten von horizontalen Kräften sind, die auf ein elastisches Objekt mit konstantem Querschnitt \(D\) und vertikaler Verschiebung \(u_3(x_1, x_2) = 0\) angewendet werden, dann ist

\begin{align*} u = (u_1, u_2) \in (H_\Gamma ^1(D))^2,\quad D \subset \real ^2, \end{align*} bestimmt durch

\begin{align*} \int _D \underline {\varepsilon }’(u) Q_{\text {strain}} \underline {\varepsilon }(v) = \int _D fv + \int _{\partial D \setminus \Gamma } gv,\quad v \in (H_\Gamma ^1)^2, \end{align*} wobei \(\underline {\varepsilon }’ := (\varepsilon _{1,1}, \varepsilon _{2,2}, 2\varepsilon _{1,2})\).

Herleitung des Plane-Stress-Modells: Für das Plane-Stress-Modell (Modell der ebenen Spannung) geht man von einem Objekt mit gleichmäßiger vertikaler Dicke aus, die verglichen mit der horizontalen Größe relativ klein ist. Man nimmt an, dass \(\sigma \) nicht von \(x_3\) abhängt und dass \(\sigma _{3,\ell } = \sigma _{\ell ,3} = 0\) für \(\ell = 1, 2, 3\). Wie beim Plane-Strain-Modell erhält man eine zweidimensionale Version des hookeschen Gesetzes. Zunächst bemerkt man \(\varepsilon _{1,3} = \varepsilon _{3,1} = 0 = \varepsilon _{2,3} = \varepsilon _{3,2}\). Im Allgemeinen ist \(\varepsilon _{3,3} \not = 0\), d. h. kleine vertikale Deformationen \(u_3(x) = \varepsilon _{3,3} x_3\) sind möglich. Eingesetzt in die Gleichung \(\sigma _{3,3} = 0\) ergibt dies

\begin{align*} \varepsilon _{3,3} = -\frac {\lambda }{\lambda + 2\mu } (\varepsilon _{1,1} + \varepsilon _{2,2}). \end{align*} Wenn man die Lamé-Koeffizienten wieder durch das Poisson-Verhältnis und den Young-Modulus ersetzt, erhält man die Identität

\begin{align*} \underline {\sigma } = Q_{\text {stress}} \underline {\varepsilon },\quad Q_{\text {stress}} := \frac {E}{1 - \nu ^2} \begin{pmatrix} 1&\nu &0\\\nu &1&0\\0&0&1-\nu \end {pmatrix}. \end{align*}

Plane-Stress-Modell: Für das Plane-Stress-Modell gilt dasselbe wie für das Plane-Strain-Modell, wenn man \(Q_{\text {strain}}\) durch \(Q_{\text {stress}}\) ersetzt. Wenn \(f\) und \(g\) quadrat-integrierbare Dichten von horizontalen Kräften sind, die auf ein elastisches Objekt mit konstanter vertikaler Dicke angewendet werden, und \(\sigma \) nur horizontale Komponenten besitzt, dann minimieren die ersten beiden Komponenten \((u_1, u_2)\) der Verschiebung das Energie-Funktional

\begin{align*} \frac {1}{2} \int _D \underline {\varepsilon }’(u) Q_{\text {stress}} \underline {\varepsilon }(u) - \int _D fu - \int _{\partial D \setminus \Gamma } gu \end{align*} über alle \(u \in (H_\Gamma ^1)^2\), wobei \(\underline {\varepsilon }’ := (\varepsilon _{1,1}, \varepsilon _{2,2}, 2\varepsilon _{1,2})\).