Konstruktionen mit Zirkel und Lineal

Bemerkung: Die Aufgabe in diesem Abschnitt ist es, geometrische Konstruktionen durch Körpererweiterungen zu modellieren. Gegeben ist dabei eine Menge von „Startpunkten“ \(M \subset \real ^2 = \complex \), ein Lineal (ohne Markierungen) und ein Zirkel.
Das Ziel ist der Beweis der Unlösbarkeit von klassischen Problemen wie der Würfelverdopplung und der Winkeldreiteilung. Die Würfelverdopplung findet zwar im Dreidimensionalen statt, auf dort lassen sich die hier vorgestellten Aussagen jedoch leicht übertragen (beispielsweise ist es im Zweidimensionalen nicht möglich, die Kante eines verdoppelten Würfels zu konstruieren).

Gerade:  Seien \(M \subset \real ^2\) und \(p, q \in M\) mit \(p \not = q\).
Dann bezeichnet \(p \lor q\) die Gerade durch \(p\) und \(q\).

Kreis:  Seien \(M \subset \real ^2\) und \(p, q_1, q_2 \in M\) mit \(q_1 \not = q_2\).
Dann bezeichnet \(K(p, \varrho )\) mit \(\varrho := |q_1 - q_2|\) den Kreis um \(p\) mit Radius \(\varrho \).

elementare Konstruktion:  Sei \(M \subset \real ^2\).
Eine elementare Konstruktion aus \(M\) ist eine der folgenden Konstruktionen:

  • Schnitt von zwei Geraden:
    Seien \(p_1, p_2, q_1, q_2 \in M\), mit \(p_1 \not = p_2\), \(q_1 \not = q_2\) und \((p_1 \lor p_2) \not = (q_1 \lor q_2)\).
    Dann ist der Schnittpunkt \(\widehat {p} := (p_1 \lor p_2) \cap (q_1 \lor q_2)\) konstruiert (falls er existiert).

  • Schnitt einer Geraden mit einem Kreis:
    Seien \(p_1, p_2, q, q_1, q_2 \in M\), mit \(p_1 \not = p_2\) und \(q_1 \not = q_2\).
    Dann sind die Schnittpunkte \(\{\widehat {r}, \widehat {s}\} := (p_1 \lor p_2) \cap K(q, |q_1 - q_2|)\) konstruiert.

  • Schnitt von zwei Kreisen:
    Seien \(p, p_1, p_2, q, q_1, q_2 \in M\), mit \(p_1 \not = p_2\) und \(q_1 \not = q_2\).
    Dann sind die Schnittpunkte \(\{\widehat {r}, \widehat {s}\} := K(p, |p_1 - p_2|) \cap K(q, |q_1 - q_2|)\) konstruiert.

konstruierbare Punkte:  Sei \(M \subset \real ^2 = \complex \). Ein Punkt \(p = (x, y) \in \complex \) heißt aus \(M\) (mit Zirkel und Lineal) konstruierbar, falls es ein \(n \in \natural \) und \(M = M_0 \subset M_1 \subset \dotsb \subset M_n\) gibt mit \(p \in M_n\), sodass jedes \(M_i\) aus \(M_{i-1}\) durch eine elementare Konstruktion entsteht.
Die Menge \(\Kon (M) := \{p \in \real ^2 \;|\; p \text { aus } M \text { konstruierbar}\}\) ist die Menge aller aus \(M\)
konstruierbaren Punkte.

Bemerkung: Im Folgenden wird angenommen, dass \(M\) stets zwei Punkte enthält,
nämlich \(0 := (0, 0)\) und \(1 := (1, 0)\).

Theorem (\(\Kon (M)\) als Erweiterungskörper): Seien \(M \subset \complex \) mit \(0, 1 \in M\). Dann gilt:

  • \(\Kon (M)\) ist ein Teilkörper von \(\complex \).

  • \(\Kon (M) = \overline {\Kon (M)} := \{\overline {z} \;|\; z \in \Kon (M)\}\)

  • \(\rational (M \cup \overline {M})\) ist ein Teilkörper von \(\Kon (M)\).

  • Für \(b \in \complex \) gilt: Falls \(b^2 \in \Kon (M)\) ist, so ist auch \(b \in \Kon (M)\)
    (d. h. \(\Kon (M)\) ist quadratisch abgeschlossen).

Bemerkung: Man kann also mit Zirkel und Lineal addieren, subtrahieren, multiplizieren, dividieren und Quadratwurzeln ziehen. \(\Kon (\rational )\) ist echt kleiner als \(\complex \), hat aber unendlichen Grad über \(\rational \), da \(\sqrt {2}, \sqrt [4]{2}, \sqrt [8]{2}, \dotsc \in \Kon (\rational )\) linear unabhängig sind.

Theorem (Körpererweiterung \(\Kon (M)/\rational (M \cup \overline {M})\)): Seien \(M \subset \complex \) und \(0, 1 \in M\). Dann gilt:

  • \(\Kon (M)/\rational (M \cup \overline {M})\) ist algebraisch.

  • Für \(z \in \complex \) gilt \(z \in \Kon (M)\) genau dann, wenn es eine Kette von Körperweiterungen \(\rational (M \cup \overline {M}) = L_0 \subset L_1 \subset \dotsb \subset L_r\) gibt mit \(z \in L_r\) und \(\forall _{j=1,\dotsc ,r}\; [L_j:L_{j-1}] \le 2\).
    Für \(z \in \Kon (M)\) ist also \([L_0(z):L_0]\) eine Potenz von \(2\).

Bemerkung: Ist also \([L_0(z):L_0]\) keine Potenz von \(2\), so ist \(z\) nicht konstruierbar
(z. B. für \(M = \{0, 1\}\) ist \(L_0 = \rational \)).

Unmöglichkeit bestimmter geometrischer Konstruktionen

Bemerkung: Die bisher entwickelte Theorie lässt sich nun für Unmöglichkeitsbeweise von geometrischen Konstruktionen verwenden:

  • Würfelverdopplung (Delisches Problem): Konstruiere die Seitenlänge eines Würfels vom Volumen \(2\). Aufgrund \([\rational (\sqrt [3]{2}):\rational ] = 3\) ist \(\sqrt [3]{2}\) nicht aus \(0, 1\) konstruierbar, d. h. die Aufgabe ist unlösbar.

  • Dreiteilung eines Winkels: Gegeben ist \(z = e^{\i \alpha }\), konstruiere \(e^{\i \alpha /3}\).
    Wähle \(\alpha = 120^\circ = \frac {2\pi }{3}\). In diesem Fall ist \(z = e^{2\pi \i /3} = -\frac {1}{2} + \frac {\i }{2} \sqrt {3}\) gegeben, gesucht ist \(\xi = e^{2\pi \i /9}\). Es gilt \([\rational (z):\rational ] = 2\) (\(x^2 + x + 1\) Minimalpolynom von \(x\) über \(\rational \)).

    Wenn man zeigt, dass \([\rational (\xi ):\rational ] = 6\), dann folgt aufgrund \(\rational (z) \subset \rational (z, \xi ) = \rational (\xi )\) und
    \([\rational (\xi ):\rational ] = [\rational (\xi ):\rational (z)] \cdot [\rational (z):\rational ]\), dass \([\rational (\xi ):\rational (z)] = 3\), d. h. \(\xi \) ist nicht aus \(z\) konstruierbar. Es gilt \([\rational (\xi ):\rational ] \le 6\), da das Minimalpolynom von \(\xi \) über \(\rational \) das Polynom \(\frac {x^9 - 1}{x^3 - 1} = x^6 + x^3 + 1\) teilen muss. Außerdem gilt \(2 < [\rational (\xi ):\rational ]\) und \(2 \teilt [\rational (\xi ):\rational ]\).
    Es bleiben also nur die Möglichkeiten \([\rational (\xi ):\rational ] = 4\) und \([\rational (\xi ):\rational ] = 6\).

    Nun wird gezeigt, dass \([\rational (\xi ):\rational ] = 6\). Ein \(\rational \)-Automorphismus von \(\rational (\xi )\) bildet jede Nullstelle von \(x^6 + x^3 + 1\) wieder auf eine Nullstelle ab, d. h. \(e^{2\pi \i /9}\) wird abgebildet \(e^{2\pi \i \ell /9}\) mit \(\ell \in \{1, 2, 4, 5, 7, 8\}\). Jeder Automorphismus \(\sigma \colon \rational (\xi ) \rightarrow \rational (\xi )\) ist bestimmt durch \(\sigma (\xi ) = e^{2\pi \i \ell /9}\), d. h. \(\ell \in (\integer /9\integer )^\ast \). Die Zuordnung \(\sigma \mapsto \ell \in (\integer /9\integer )^\ast \) definiert einen Gruppenhomomorphismus \(\Aut _\rational (\rational (\xi )) \rightarrow (\integer /9\integer )^\ast \), dieser ist injektiv. Somit ist \(\Aut _\rational (\rational (\xi ))\) isomorph zu einer Untergruppe von \((\integer /9\integer )^\ast \), daraus folgt \(|\Aut _\rational (\rational (\xi ))| \teilt 6\). \(\rational (\xi )/\rational \) ist eine Galoiserweiterung (separabel und normal), also \(|\Aut _\rational (\rational (\xi ))| = [\rational (\xi ):\rational ] \teilt 6\).

    Somit muss \([\rational (\xi ):\rational ] = 6\) gelten und die Winkeldreiteilung ist nicht möglich.

  • Quadratur des Kreises: Gegeben ist der Einheitskreis, gesucht ist ein Quadrat mit derselben Fläche, d. h. man muss \(\sqrt {\pi }\) oder \(\pi \) konstruieren. Die Zahlentheorie besagt allerdings, dass \(\pi \) transzendent ist, also nicht konstruierbar. Somit ist die Quadratur des Kreises unmöglich.

  • Konstruktion von regelmäßigen \(n\)-Ecken: Es müssen die \(n\)-ten Einheitswurzeln \(\xi = e^{2\pi \i /n}\) konstruiert werden. Das Minimalpolynom von \(\xi \) über \(\rational \) ist ein Teiler von \(x^n - 1\), sein Grad ist \(\varphi (n) := |(\integer /n\integer )^\ast | = \{j \in \{1, \dotsc , n\} \;|\; \ggT (j, n) = 1\}\) (Eulersche \(\varphi \)-Funktion). Es gilt nun \(\xi \) konstruierbar \(\iff \) \(\varphi (n)\) ist eine Potenz von \(2\) \(\iff \) \(n = 2^\ell \cdot p_1 \dotsm p_r\) mit paarweise verschiedenen Fermatschen Primzahlen \(p_1, \dotsc , p_r\) (d. h. eine Primzahl der Form \(p_i = 2^{2^a} + 1\)). Für \(a = 0, 1, 2, 3, 4\) ist das prim (man erhält \(3\), \(5\), \(17\), \(257\), \(65537\)), für \(a = 5\) gilt allerdings \(641 \teilt 4294967297\). Es ist ein ungelöstes Problem, ob weitere Fermatsche Primzahlen existieren (man vermutet, dass dies nicht zutrifft). Somit ist auch die Konstruktion von regelmäßigen \(n\)-Ecken für allgemeine \(n\) ein ungelöstes Problem.

Polynomiale Gleichungen

Bemerkung: Sei \(K\) ein Körper und \(f(x) \in K[x]\) ein Polynom vom Grad \(n\). Gesucht ist eine Formel, die die Nullstellen von \(f(x)\) berechnet. Beispielsweise geht dies für \(n = 2\) und
\(f(x) = ax^2 + bx + c\) mit der Mitternachtsformel \(\frac {-b \pm \sqrt {b^2 - 4ac}}{2a}\) für \(\Char K \not = 2\). Für \(n = 3\) und \(f(x) = x^3 + ax^2 + bx + c\) ergeben sich schon kompliziertere Formeln, man formt zunächst um zu \(x^3 + px + q\) und erhält Lösungen wie \(\sqrt [3]{-\frac {q}{2} + \sqrt {\left (\frac {p}{3}\right )^3 + \left (\frac {q}{2}\right )^2}} + \sqrt [3]{-\frac {q}{2} - \sqrt {\left (\frac {p}{3}\right )^3 + \left (\frac {q}{2}\right )^2}}\) für \(\Char K \not = 2, 3\) – hier werden schon verschiedene Wurzeln benötigt.
Im Folgenden wird gezeigt, dass es für \(n \ge 5\) keine solche allgemeine Formel gibt, die Lösungen aus den Koeffizienten berechnet (erlaubt sind \(+, -, \cdot , /\) und beliebige Wurzeln). Dabei reicht es, ein Polynom anzugeben, das eine Nullstelle besitzt, die nicht mit diesen Operationen berechnet werden kann.
Die Strategie ist, Körpererweiterungen \(K(\sqrt [n]{a})/K\) zu Galoiserweiterungen zu vergrößern, sodass die Galoisgruppen spezielle Eigenschaften haben. Dann wird ein \(f(x)\) angegeben, dessen Zerfällungskörper diese Eigenschaften nicht hat.

Bemerkung: Im Folgenden ist \(\Char K = 0\) (oder sogar \(K = \rational \)), d. h. Körpererweiterungen sind automatisch separabel.

Radikal:  Seien \(K\) ein Körper, \(n \in \natural \), \(a \in K\) und \(E/K\) eine Körpererweiterung, sodass \(b^n = a\) für ein \(b \in E\). Dann heißt \(b\) Radikal von \(a\) über \(K\) (Schreibweise \(b = \sqrt [n]{a}\)).
\(b\) ist eindeutig bis auf Multiplikation mit Einheitswurzeln (\(\sqrt [n]{1}\)).

Körpererw. durch Radikale auflösbar:  Eine Körpererweiterung \(L/K\) heißt (durch
Radikale) auflösbar
, falls es eine Kette von Körpererweiterungen \(K = K_0 = K_1 \subset \dotsb \subset K_\ell \) gibt mit \(\ell \in \natural \), \(L \subset K_\ell \) und \(K_{j+1} = K_j(b_j)\) mit \(b_j = \sqrt [n_j]{a_j}\) für ein \(a_j \in K_j\) für alle \(j = 0, \dotsc , \ell - 1\).

Polynom durch Radikale auflösbar:  Ein Polynom \(f(x) \in K[x]\) heißt (durch Radikale) auflösbar, falls es sein Zerfällungskörper \(L\) über \(K\) durch Radikale auflösbar ist.

Bemerkung: Im Folgenden sei \(K\) ein Körper mit \(\rational \subset K\) und \(K_n\) der Zerfällungskörper von \(x^n - 1\) über \(K\). Wegen \(\rational \subset K\) haben daher die Einheitswurzeln \(\sqrt [n]{1}\) die Werte \(e^{2\pi \i j/n}\) für \(j = 0, \dotsc , n - 1\).

Lemma (\(\Gal (K_n/K)\) abelsch): Es gibt einen injektiven Grp.homom. \(\Gal (K_n/K) \rightarrow (\integer /n\integer )^\ast \), d. h. \(\Gal (K_n/K)\) ist isomorph zu einer Untergruppe von \((\integer /n\integer )^\ast \) und daher abelsch.

Lemma (\(\Gal (K(\sqrt [n]{a})/K)\) abelsch): Seien \(e^{2\pi \i /n} \in K\) und \(L := K(\sqrt [n]{a})\) für ein \(a \in K\).
Dann ist \(L/K\) eine Galoiserweiterung und \(\Gal (L/K)\) ist zyklisch mit \(|\Gal (L/K)| \teilt n\).

Bemerkung: Es gilt auch die Umkehrung: Ist \(L/K\) eine endliche Galoiserw. mit \(\Gal (L/K)\) zyklisch und \(n := [L:K]\), dann ist \(L\) der Zerfällungskörper von \(x^n - a\) für ein \(a \in K\).

Bemerkung: Man erhält also in beiden Erweiterungen \(K \subset K(\sqrt [n]{1}) \subset K(\sqrt [n]{a})\) abelsche Gruppen. Allerdings geht die Eigenschaft „abelsch“ beim Iterieren verloren, wie folgendes Gegenbeispiel zeigt: Sei \(K = \rational \), \(n = 3\) und \(a = 2\). Dann ist \(\Gal (K(\sqrt [n]{1})/K) = \Gal (\rational (e^{2\pi \i /3})/\rational ) \simeq \integer /2\integer \) und \(\Gal (K(\sqrt [n]{a})/K) = \Gal (\rational (\sqrt [3]{2}, e^{2\pi \i /3})/\rational ) \simeq \Sigma _3\). \(\Sigma _3\) ist jedoch nicht abelsch.

Normalreihe:  Sei \(G\) eine Gruppe. Eine endliche Kette \(\{1\} = G_0 \nt G_1 \nt \dotsb \nt G_n = G\) von Untergruppen mit \(G_j \nt G_{j+1}\) für \(j = 0, \dotsc , n - 1\) heißt Normalreihe.
Die Normalreihe heißt abelsch, falls \(G_{j+1}/G_j\) für \(j = 0, \dotsc , n - 1\) abelsch ist.

Gruppe auflösbar: 
Eine Gruppe \(G\) heißt auflösbar, falls \(G\) eine abelsche Normalreihe besitzt.

Bemerkung: Das Ziel ist zu zeigen, dass ein Polynom durch Radikale auflösbar ist genau dann, wenn sein Zerfällungskörper eine auflösbare Galoisgruppe besitzt. Dann muss man noch zeigen, dass es Galoisgruppen gibt, die nicht auflösbar sind.

Beispiel: Auflösbare Gruppen sind z. B. abelsche Gruppen (\(\{1\} \nt G\)),
\(\Sigma _3\) (\(\{1\} \nt \erzeugnis {(123)} \nt \Sigma _3\), da \([\Sigma _3:\erzeugnis {(123)}] = 2\), und \(\Sigma _3/\erzeugnis {(123)}\) ist zyklisch, da \(|\Sigma _3/\erzeugnis {(123)}| = 2\))
und \(G\) mit \(|G| = p^n\) mit \(p\) prim und \(n \in \natural _0\) (für \(n \not = 0\) gilt \(Z(G) \not = \{e\}\), \(Z(G) \nt G\) mit \(|G/Z(G)| = p^\ell \) für ein \(\ell < n\), induktiv ist also \(G\) auflösbar).

Kommutator:  Seien \(G\) eine Gruppe und \(a, b \in G\).
Dann heißt \([a, b] := aba^{-1}b^{-1}\) der Kommutator von \(a\) und \(b\).
Die von allen Kommutatoren erzeugte Untergruppe \(D(G) := \erzeugnis {[a, b] \;|\; a, b \in G}\) heißt
Kommutatoruntergruppe (oder derivierte Gruppe) von \(G\).
Mit \(D^n(G) := D(\dotsb (D(G))\dotsb )\) bezeichnet man die iterierte Kommutatoruntergruppe.

Bemerkung: Es gilt \([a, b] = 1\) genau dann, wenn \(ab = ba\). \(\{[a, b] \;|\; a, b \in G\}\) ist i. A. keine Gruppe. Es gilt \(D(G) \nt G\), da \(g [a,b] g^{-1} = gaba^{-1}b^{-1}g^{-1} = (gag^{-1})(gbg^{-1})(ga^{-1}g^{-1})(gb^{-1}g^{-1})\) ein Kommutator ist. \(G\) ist abelsch genau dann, wenn \(D(G) = \{1\}\).

Bemerkung: Durch iterierte Anwendung der Kommutatoruntergruppe kann man eine Normalreihe \(G > D(G) > D^2(G) > \dotsb \) herstellen (die Untergruppen sind alle normal).
\(G/D(G)\) ist abelsch, denn für \(a, b \in G\) ist \(\overline {a} \overline {b} = \overline {b} \overline {a}\), da \(\overline {1} = \overline {[a,b]} = \overline {a}\overline {b}\overline {a}^{-1}\overline {b}^{-1}\).
Also ist \(G \vartriangleright D(G) \vartriangleright D^2(G) \vartriangleright \dotsb \) eine abelsche Normalreihe, falls \(D^n(G) = \{1\}\) für ein \(n \in \natural \). Allerdings muss diese Bedingung nicht immer erfüllt sein: Ist \(G\) einfach, aber nicht abelsch, dann besitzt \(G\) keine Normalteiler außer \(\{1\}\) und \(G\). Wegen \(D(G) \not = \{1\}\) (\(G\) nicht abelsch) und \(D(G) \nt G\) gilt also \(G = D(G)\) (und \(D(G) = D^2(G) = \dotsb \)).
Es kann also passieren, dass diese Reihe stehen bleibt. Im Folgenden wird das ausgenutzt, indem die Aussage getroffen wird, dass dann \(G\) nicht auflösbar ist (man muss nur diese „Testreihe“ prüfen).

Proposition (Testreihe der Kommutatoruntergruppen):
Eine Gruppe \(G\) ist auflösbar genau dann, wenn \(D^n(G) = \{1\}\) für ein \(n \in \natural \).

Proposition (\(\Sigma _n\) für \(n \ge 5\) nicht auf lösbar): Sei \(n \ge 5\). Dann ist \(D(\Sigma _n) = D(A_n) = A_n\).
Insbesondere sind \(\Sigma _n\) und \(A_n\) für \(n \ge 5\) nicht auflösbar.
(\(A_n < \Sigma _n\) ist die Untergruppe der geraden Permutationen.)

Bemerkung: Man kann zeigen, dass \(A_n\) sogar einfach für \(n \ge 5\) ist.

Theorem (Körpererw. auf lösbar \(\Rightarrow \) Galoisgrp. auf lösbar):
Sei \(L/K\) eine endliche Körpererweiterung mit \(\Char K = 0\). Dann gilt (a) \(\Rightarrow \) (b), wobei:

  • \(L/K\) ist durch Radikale auflösbar.

  • Es gibt eine endliche Galoiserweiterung \(M/K\) mit \(M \supset L\), sodass \(\Gal (M/K)\) auflösbar ist.

Bemerkung: Es gilt auch die Umkehrung (b) \(\Rightarrow \) (a), wobei aber die erwähnte Umkehrung des obigen Lemmas benötigt wird.

Bemerkung: Wie wendet man dieses Theorem bei unbekanntem \(M\) an?
Gegeben seien \(f(x) \in K[x]\) und \(L\) der Zerfällungskörper von \(f(x)\) über \(K\). Aufgrund \(\Char K = 0\) ist \(L/K\) separabel, also galoissch.
Angenommen, \(L/K\) ist durch Radikale auflösbar. Dann folgt aus dem Hauptsatz der Galoistheorie und obigem Satz, dass \(\Gal (L/K) \simeq \Gal (M/K)/\Gal (M/L)\).
Ist \(\Gal (M/K)\) auflösbar, so ist auch \(\Gal (L/K)\) auflösbar (allgemein gilt: gibt es einen surjektiven Gruppenhomomorphismus \(G \rightarrow \overline {G}\) mit \(G\) auflösbar, so ist auch \(\overline {G}\) auflösbar, da aus \(D^n(G) = \{e\}\) folgt, dass \(D^n(\overline {G}) = \{\overline {e}\}\), weil \([\overline {g}, \overline {h}] = \overline {[g, h]}\)).
Ist also \(L/K\) durch Radikale auflösbar, so muss \(\Gal (L/K)\) auflösbar sein. Im Umkehrschluss kann eine Gleichung mit nicht auflösbarer Galoisgruppe nicht durch Radikale auflösbar sein.

Proposition (bestimmte Polynome in \(\rational [x]\) sind nicht auf lösbar): Sei \(f(x) \in \rational [x]\) irreduzibel vom Grad \(5\), sodass \(f(x)\) in \(\complex \) genau drei reelle Nullstellen besitzt.
Dann ist die Galoisgruppe von \(f(x)\) (d. h. die Galoisgruppe des Zerfällungskörpers von \(f(x)\) über \(\rational \)) nicht auflösbar, insbesondere ist \(f(x)\) nicht durch Radikale auflösbar.

Bemerkung: Ein Beispiel für ein solches Polynom ist \(f(x) = x^5 - 4x + 2 \in \rational [x]\) (irreduzibel nach Eisenstein). Das Polynom \(f(x) - 2 = x^5 - 4x = x(x^2 - 2)(x^2 + 2)\) hat drei reelle Nullstellen (nämlich \(0\) und \(\pm \sqrt {2}\)) und zwei komplexe. Um die Frage zu beantworten, ob dies für \(f(x)\) auch gilt, können die Extrempunkte bestimmt werden. \(\frac {d}{dx}(f(x) - 2) = f’(x) = 5x^4 - 4 = 0\) gilt für \(x = \pm \sqrt [4]{\frac {4}{5}}\). Der Wert von \(f(x) - 2\) für diese \(x\) ist größer bzw. kleiner als \(\pm 2\), d. h. auch \(f(x)\) hat \(3\) reelle und zwei komplexe Nullstellen (der Abstand der Extrempunkte zur \(x\)-Achse ist größer als die Verschiebung). Somit ist \(f(x)\) nach der Proposition nicht auflösbar und es gibt keine allgemeine Formel für Lösungen polynomialer Gleichungen.

Der Fundamentalsatz der Algebra

Bemerkung: Man kann den Fundamentalsatz der Algebra tatsächlich algebraisch beweisen (zusätzlich z. B. zum naiv-analytischen, zum komplex-analytischen und zum topologischen Beweis). Dazu verwendet man nur ein wenig elementare Analysis:

  • Jedes Polynom \(f(x) \in \real [x]\) mit ungeradem Grad besitzt eine reelle Nullstelle.

  • Jede positive reelle Zahl besitzt eine Quadratwurzel (d. h. \(f(x) = x^2\) hat das Bild \(\real _{\ge 0}\)).

Die Aussagen folgen beide aus dem Zwischenwertsatz (Vollständigkeit von \(\real \)).

Theorem (Fundamentalsatz der Algebra):
Der Körper \(\complex \) der komplexen Zahlen ist algebraisch abgeschlossen.