Zerfällungskörper

Bemerkung: In diesem Abschnitt sollen folgende Fragen geklärt werden:
Es gilt z. B. \((\rational (\sqrt {2}))(\sqrt {3}) = \rational (\sqrt {2} + \sqrt {3})\). Gilt dies für alle \(a_1, a_2 \in \rational \), d. h. gibt es immer ein \(a_3 \in \rational \) mit \((\rational (a_1))(a_2) = \rational (a_3)\)?
Der Satz von Kronecker konstruiert für ein irreduzibles Polynom \(f\) einen Körper \(K[x]/\erzeugnis {f(x)}\), sodass \(f(x)\) mindestens eine Lösung hat. Gibt es einen Körper, der alle Nullstellen enthält?
Was sind die Körpererweiterungen endlicher Körper? Dazu gehören z. B. die Körper \(\integer /p\integer \) für \(p\) Primzahl (wenn \(n\) nicht prim ist, ist \(\integer /n\integer \) kein Körper, da Nullteiler vorhanden sind).

Zerfällungskörper:  Seien \(K\) ein Körper, \(f(x) \in K[x] \ K\) ein nicht-konstantes Polynom und \(L/K\) eine Körpererweiterung.
Dann heißt \(L\) Zerfällungskörper von \(f(x)\) über \(K\), falls es \(a_1, \dotsc , a_n \in L\) und \(c \in K\) gibt mit
\(f(x) = c \cdot \prod _{i=1}^n (x - a_i)\) und \(L = K(a_1, \dotsc , a_n)\).

Bemerkung: Das bedeutet, dass \(L\) erzeugt ist über \(K\) von den Nullstellen \(a_i\) von \(f(x)\). \(L\) existiert, denn \(K\) besitzt einen algebraischen Abschluss \(\overline {K}\), in dem alle Nullstellen \(a_1, \dotsc , a_n\) existieren.
Der Satz von Kronecker liefert nicht immer einen Zerfällungskörper, z. B. gilt für \(f(x) = x^3 - 2\), dass \(\rational [x]/\erzeugnis {x^3 - 2} \simeq \rational (\sqrt [3]{2})\). Dabei ist \([\rational (\sqrt [3]{2}) : \rational ] = 3\) (Grad des Minimalpolynoms \(f(x)\)), allerdings ist die \(\rational \)-Dimension des Zerfällungskörpers größer als \(3\).

Bemerkung: Der Zerfällungskörper \(L\) von \(f(x)\) ist eindeutig, denn es existiert ein Zerfällungskörper in \(\overline {K}\), d. h. \(K \subset L \subset \overline {K} \subset \overline {L}\). Weil \(L/K\) algebraisch ist (jedes \(a_i\) ist Nullstelle von \(f(x)\)), ist in \(K \subset L \subset \overline {L}\) auch \(\overline {L}/K\) algebraisch. Da \(\overline {K}/K\) ebenfalls algebraisch ist, muss auch \(\overline {L}/\overline {K}\) algebraisch sein (siehe Übungsblatt). Es gibt keine echte algebraische Körpererweiterung eines algebraisch abgeschlossenen Körpers, d. h. es muss \(\overline {L} = \overline {K}\) gelten. Der algebraische Abschluss \(\overline {K} = \overline {L}\) ist eindeutig bis auf Isomorphie, also auch \(L\).

Bemerkung: \(f(x)\) muss nicht eindeutig sein, d. h. es gibt evtl. eventuell mehrere Polynome, sodass ein Körper Zerfällungskörper von jedem der Polynome ist.

Beispiel: Ein Beispiel ist \(f_1(x) = x^2 + 1 \in \real [x]\). Der Zerfällungskörper von \(f_1(x)\) ist \(\real (\i ) = \complex \). Man kann allerdings auch \(f_2(x) = (x^2 + 1)(x - 5)\) wählen (das Polynom muss nicht irreduzibel sein). Ein anderes Beispiel ist das irreduzible Polynom
\(f_3(x) = (x - (1 + \i )) (x - (1 - \i )) = x^2 - 2x + 2 \in \real [x]\).

Zerfällungskörper von Polynommenge:  Sei \(L/K\) eine Körpererweiterung und
\(\Lambda \subset K[x] \setminus K\) eine Menge von nicht-konstanten Polynomen.
Dann heißt \(L\) Zerfällungskörper von \(\Lambda \) über \(K\), falls über \(L\) alle Polynome in \(\Lambda \) in Produkte von Linearfaktoren zerfallen und \(L\) minimal mit dieser Eigenschaft ist, d. h. \(\forall _{L_0 \text { Körper},\; K \subset L_0 \subset L}\)
\(((\text {über } L_0 \text { zerfallen alle Polynome in } \Lambda \text { in Produkte von Linearfaktoren}) \Rightarrow L_0 = L)\).

normal:  Eine Körpererweiterung \(L/K\) heißt normal, falls es eine Menge \(\Lambda \subset K[x] \setminus K\) von nicht-konstanten Polynomen gibt, sodass \(L\) der Zerfällungskörper von \(\Lambda \) ist.

Proposition (Äquivalenzen zu normal): Für \(K \subset L \subset \overline {K}\) sind äquivalent:

  • \(\forall _{f \in K[x]}\; ((f \text { irreduzibel, hat Nullstelle in } L) \Rightarrow (f \text { über } L \text { Produkt von Linearfaktoren}))\).

  • \(L/K\) ist normal.

  • Für jeden \(K\)-Homomorphismus \(\varphi \colon L \rightarrow \overline {K}\) gilt \(\varphi (L) = L\).

Separable Elemente

Bemerkung: Ein Problem ist, dass irreduzible Polynome theoretisch mehrfache Nullstellen haben können. Dieses Problem wird wegdefiniert.

Separabilitätsgrad:  Sei \(K \subset L \subset \overline {K}\).
Dann ist \([L:K]_S := \#\{\varphi \colon L \rightarrow \overline {K} \;|\; \varphi \; K\text {-Homom.}\}\) der Separabilitätsgrad von \(L/K\).

separabel:  Seien \(K \subset L \subset \overline {K}\) und \(L/K\) endlich.
Dann heißt \(L/K\) separabel, falls \([L:K]_S = [L:K]\).

separables Element:  Sei \(K \subset L \subset \overline {K}\).
Ein Element \(a \in L\) heißt separabel über \(K\), falls \(m_{a,K}\) nur einfache Nullstellen in \(\overline {K}\) hat.

Bemerkung: Für \(L/K\) normal ist \([L:K]_S = |\Aut _K(L)|\), da für \(\varphi \colon L \rightarrow \overline {K}\) \(K\)-Homom. \(\varphi (L) = L\) gilt und daher \(\varphi |_L\colon L \rightarrow L\) nach obiger Proposition ein \(K\)-Automorphismus ist.
Für \(K(a)/K\) algebraisch gilt \([K(a) : K]_S = \#\text {NS von } m_{a,K}\).
Ist \(L/K\) eine endliche Körpererweiterung mit \(L = K(a_1, \dotsc , a_n)\), so kann man schrittweise die Elemente dazuadjungieren, d. h. mit \(L_0 = K\) und \(L_i = L_{i-1}(a_i)\) gilt \([L:K] = \prod _{i=1}^n [L_i : L_{i-1}]\) und ebenso \([L:K]_S = \prod _{i=1}^n [L_i : L_{i-1}]_S\) nach dem letzten Theorem im letzten Abschnitt (Teil (a)). Da \(L_i / L_{i-1}\) einfach ist, gilt \(L_i \simeq L_{i-1}[x]/\erzeugnis {m_{a_i,L_{i-1}}}\) mit \([L_i : L_{i-1}] = \grad (m_{a_i,L_{i-1}}) \ge \# \text {NS von } m_{a_i,L_{i-1}} = [L_i : L_{i-1}]_S\) nach Teil (b) der Proposition davor, d. h. \([L:K]_S \le [L:K]\).

Beispiel: Für \(f(x) \in \rational [x]\) und \(a\) Nullstelle von \(f(x)\) mit Vielfachheit \(\ell \) ist \(f(x) = (x - a)^\ell g(x)\) mit \(g(a) \not = 0\). Nach Produktregel gilt \(f’(x) = \ell (x - a)^{\ell -1} g(x) + (x - a)^\ell g’(x)\).
Ist \(\ell > 1\), so ist \(f’(a) = 0\). Ist \(\ell = 1\), so ist \(f’(a) = g(a) \not = 0\).
Daher hat \(f(x)\) die Nullstelle \(a\) mit Vielfachheit \(\ell > 1\) genau dann, wenn \(f’(a) = 0\) ist.

Ableitung von Polynomen:  Seien \(K\) ein Körper und \(f(x) \in K[x]\). Das Polynom \(f’(x)\) ist definiert durch \((x^n)’ := n x^{n-1}\) (dabei ist \(n := 1 + \dotsb + 1\)) und Additivität von \(’\).

Bemerkung: Somit gelten Produkt-/Kettenregel auch allgemein und obiges Argument lässt sich verallgemeinern.

Beispiel: Für \(K = \F _p := \integer /p\integer \) und \(f(x) = x^p\) gilt \(f’(x) = p x^{p-1} = 0\), aber \(f(x)\) nicht konstant.

Lemma (Separabilität und Ableitung): Sei \(a \in \overline {K}\). Dann ist \(a\) separabel über \(K\) \(\iff \) \(m_{a,K}’ \not = 0\).

Charakteristik:  Sei \(K\) ein Körper. Die Charakteristik \(\Char (K)\) ist die kleinste natürliche Zahl \(n \in \natural \) mit \(1 + \dotsb + 1 = 0\). Falls keine solche Zahl existiert, ist \(\Char (K) := 0\).

Beispiel: Es gilt \(\Char (\F _p) = p\) für \(p\) prim und \(\Char (\rational ) = 0\). \(\Char (K)\) ist immer eine Primzahl, denn für \(\Char (K) = n = ab\) mit \(a, b > 1\) gilt \(0 = \overset {n\text {-mal}}{1 + \dotsb + 1} = \overset {a\text {-mal}}{(1 + \dotsb + 1)} \cdot \overset {b\text {-mal}}{(1 + \dotsb + 1)}\), d. h. \(\overset {a\text {-mal}}{(1 + \dotsb + 1)} = 0\) oder \(\overset {b\text {-mal}}{(1 + \dotsb + 1)} = 0\), ein Widerspruch zur Minimalität von \(n\).

Proposition (Separabilität):

  • \(L/K\) ist separabel genau dann, wenn \(\forall _{a \in L}\) (\(a\) ist separabel über \(K\)).

  • \(L/K\) ist separabel genau dann, wenn \(\exists _{a_1, \dotsc , a_n \in L \text { separabel über } K}\; L = K(a_1, \dotsc , a_n)\).

  • Für \(\Char (K) = 0\) und \(L/K\) endlich ist \(L/K\) separabel.

  • Für \(\Char (K) = p > 0\), \(L/K\) endlich und \(p \notteilt [L:K]\) ist \(L/K\) separabel.

  • Für \(K \subset M \subset L\) ist \(L/K\) separabel genau dann, wenn \(L/M\) und \(M/K\) separabel sind.

Theorem (Satz vom primitiven Element): Sei \(L/K\) endlich und separabel.
Dann gibt es ein \(a \in L\) mit \(L = K(a)\) (d. h. \(L/K\) ist einfach).

Endliche Körper

Theorem (Klassifikation der endlichen Körper):

  • Seien \(n \in \natural \) und \(p\) eine Primzahl. Dann ist der Zerfällungskörper \(L\) von \(f(x) = x^{p^n} - x\) ein Erweiterungskörper von \(\F _p = \integer /p\integer \) mit \([L:\F _p] = n\).
    Es gilt \(|L| = p^n\) und \(L = \{\text {NS von } f(x)\}\). \(L/\F _p\) ist algebraisch, separabel und normal. Man bezeichnet \(L =: \F _q\) für \(q := p^n\) (es gilt i. A. \(L \not = \integer /p^n\integer \) für \(n > 1\)!).

  • \(\F _q\) ist bis auf Isomorphie der einzige Körper mit \(q = p^n\) Elementen.
    Jeder endliche Körper ist zu genau einem \(\F _q\) isomorph.

  • Die Gruppe \(\Aut _{\F _p}(\F _q)\) ist zyklisch von Ordnung \(n\) erzeugt von \(Fr\colon \F _q \rightarrow \F _q\), \(x \mapsto x^p\)
    (Frobenius-Automorphismus).

Galoiserweiterungen und Galoisgruppen

Bemerkung: Gesucht wird ein Zusammenhang zwischen den Körpererweiterungen \(L/K\) und den Automorphismengruppen \(\Aut _K(L)\) („Symmetrien“). Dabei sollen Aussagen über die eine Seite Aussagen über die andere Seite ermöglichen. Ein Beispiel, dass für sinnvolle Aussagen allerdings Voraussetzungen notwendig sind, ist \(L/K\) mit \(K = \rational \) und \(L = \rational (\sqrt [3]{2})\). \(x^3 - 2\) hat nur eine reelle Wurzel, es gilt \(\rational (\sqrt [3]{2}) \subset \real \), d. h. \(\Aut _\rational (\rational (\sqrt [3]{2})) = \{\id _{\sqrt [3]{2}}\}\), da \(\rational \)-Automorphismen \(\rational \) punktweise festlassen und Nullstellen von \(x^3 - 2\) auf Nullstellen wieder abbilden (hier gibt es allerdings nur eine Wahl). Eine Voraussetzung muss also Normalität sein.

Galoiserweiterung, Galoisgruppe:  Eine Körpererweiterung \(L/K\) heißt
Galoiserweiterung oder galoissch, falls \(L/K\) normal und separabel ist.
Die Gruppe \(\Aut _K(L) =: \Gal (L/K) = G(L/K)\) heißt dann Galoisgruppe von \(L/K\).

Bemerkung: Für \(L/K\) normal und separabel gilt
\(|\Aut _K(L)| = [L:K] = [L:K]_S = \{\varphi \colon L \rightarrow \overline {K} \;|\; \varphi \;K\text {-Homomorphismus}\}\).

Beispiel: Gesucht ist der Zerfällungskörper \(L\) von \(f(x) = x^3 - 2\) über \(K = \rational \). Die Nullstellen von \(f(x)\) sind \(\{\sqrt [3]{2}, \sqrt [3]{2} e^{2\pi \i /3}, \sqrt [3]{2} e^{4\pi \i /3}\}\). Wählt man \(L = \rational (\sqrt [3]{2}, e^{2\pi \i /3})\), so sind alle Nullstellen von \(f(x)\) in \(L\) enthalten. Es ist \([\rational (\sqrt [3]{2}) : \rational ] = 3\), da das Minimalpolynom von \(\sqrt [3]{2}\) gleich \(f(x)\) ist. \(e^{2\pi \i /3}\) ist eine Nullstelle von \(x^3 - 1 = (x - 1)(x^2 + x + 1)\), d. h. das Minimalpolynom von \(\sqrt [3]{2}\) über \(\rational (\sqrt [3]{2})\) ist \(x^2 + x + 1\) (bei echt kleinerem Grad wäre \(e^{2\pi \i /3}\) in \(\rational (\sqrt [3]{2})\)).
Somit ist \([\rational (\sqrt [3]{2}, e^{2\pi \i /3}) : \rational (\sqrt [3]{2})] = 2\) und \([L : \rational ] = 6\). Weil \(L/\rational \) galoissch ist, muss es \(|\Aut _\rational (L)| = [L:\rational ] = 6\) Automorphismen geben.
Ein \(\rational \)-Automorphismus permutiert immer die Nullstellen von jedem Polynom, d. h. für \(f(x)\) gilt \(\sqrt [3]{2} \mapsto \dotsb \in \{\sqrt [3]{2}, \sqrt [3]{2} e^{2\pi \i /3}, \sqrt [3]{2} e^{4\pi \i /3}\}\) und für \(x^2 + x + 1\) gilt \(e^{2\pi \i /3} \mapsto \dotsb \in \{e^{2\pi \i /3}, e^{4\pi \i /3}\}\).
Jeder \(\rational \)-Automorphismus \(\sigma \colon L \rightarrow L\) ist durch die Bilder von \(\sqrt [3]{2}\) und \(e^{2\pi \i /3}\) festgelegt. Somit gibt es für jede Wahl der Bilder einen Automorphismus und \(\Aut _K(L) \simeq \Sigma _3\).

Fixkörper:  Seien \(L\) ein Körper und \(G < \Aut (L)\) eine Untergruppe der Automorphismengruppe von \(L\). Dann heißt \(L^G := \{a \in L \;|\; \forall _{\varphi \in G}\; \varphi (a) = a\}\) Fixkörper von \(G\)
(\(L^G\) ist in der Tat ein Körper).

Proposition (\(L^{\Gal (L/K)} = K\)): Sei \(L/K\) eine Galoiserweiterung mit Galoisgruppe \(G = \Gal (L/K)\).
Dann gilt \(L^G = K\), d. h. \(K\) ist der Fixkörper der ganzen Galoisgruppe.

Proposition (Galoiserweiterung \(L/L^H\)):
Seien \(L\) ein Körper und \(H \subset \Aut (L)\) eine endliche Untergruppe.
Dann ist \(L/L^H\) eine Galoiserweiterung mit Galoisgruppe \(\Gal (L/L^H) = H\) und \([L : L^H] = |H|\).

Der Hauptsatz der Galoistheorie

Theorem (Hauptsatz der Galoistheorie):
Seien \(L/K\) eine endliche Galoiserweiterung, \(\U := \{H \text { Gruppe} \;|\; H < \Gal (L/K)\}\) und
\(\Z := \{M \text { Körper} \;|\; K \subset M \subset L\}\). Dann gilt:

  • Dann gibt es zwei zueinander inverse Bijektionen \(\alpha \colon \Z \rightarrow \U \), \(M \mapsto \Gal (L/M)\) und \(\beta \colon \U \rightarrow \Z \), \(H \mapsto L^H\) (dabei ist \(L/M\) tatsächlich galoissch).

  • \(\alpha \) und \(\beta \) kehren Inklusionen um, d. h. aus \(M \subset M’\) folgt \(\alpha (M) \supset \alpha (M’)\) und aus \(H \subset H’\) folgt \(\beta (H) \supset \beta (H’)\).

  • Für \(H \in \U \) und \(\varphi \in \Gal (L/K)\) gilt \(\varphi (L^H) = L^{\varphi H \varphi ^{-1}}\).

  • Für \(M \in \Z \) ist \(M/K\) normal genau dann, wenn \(\Gal (L/M) \nt \Gal (L/K)\).

  • In diesem Fall gibt es einen surjektiven Gruppenhomomorphismus
    \(\gamma \colon \Gal (L/K) \rightarrow \Gal (M/K)\) mit \(\Kern (\gamma ) = \Gal (L/M)\) und es gilt
    \(\Gal (M/K) \simeq \Gal (L/K)/\Gal (L/M)\).

Beispiel: Als Beispiel betrachtet man den Zerfällungskörper \(L\) von \(f(x) = x^4 - 2\) über \(\rational \). \(f(x)\) hat die vier Nullstellen \(\pm \sqrt [4]{2}\) und \(\pm \i \sqrt [4]{2}\). Es gilt \([\rational (\sqrt [4]{2}):\rational ] = 4\), da \(f(x) = x^4 - 2\) das Minimalpolynom von \(\sqrt [4]{2}\) ist (irreduzibel). Es gilt \(L = \rational (\sqrt [4]{2}, \i )\), wie man sich leicht überlegt. Dabei ist \([\rational (\sqrt [4]{2}, \i ):\rational (\sqrt [4]{2})] = 2\), da \(x^2 + 1\) das Minimalpolynom von \(\i \) über \(\rational (\sqrt [4]{2})\) ist. Also gilt für den Grad der Körpererweiterung \(L/\rational \), dass \([L:\rational ] = 8\). \(L/\rational \) ist eine Galoiserweiterung (jede Erweiterung über \(\rational \) ist wegen \(\Char \rational = 0\) separabel) mit \(|\Gal (L/\rational )| = [L:\rational ] = 8\).

Wie sehen die acht Automorphismen aus? Automorphismen \(\sigma \in \Gal (L/\rational )\) sind durch \(\sigma (\sqrt [4]{2})\) und \(\sigma (\i )\) eindeutig festgelegt, da \(\{1, \sqrt [4]{2}, \sqrt {2}, \sqrt [4]{8}, \i , \i \sqrt [4]{2}, \i \sqrt {2}, \i \sqrt [4]{8}\}\) eine \(\rational \)-Basis von \(L\) ist.
Für \(\sigma (\sqrt [4]{2})\) gibt es vier Möglichkeiten, da Nullstellen von Polynomen (z. B. von \(f(x)\)) auf Nullstellen abgebildet werden müssen. Analog gibt es für \(\sigma (\i )\) zwei Möglichkeiten.

Man stellt fest, dass man alle Automorphismen in \(\Gal (L/\rational )\) als Komposition von zwei Automorphismen \(\sigma , \tau \) mit \(\sigma \colon \sqrt [4]{2} \mapsto \i \sqrt [4]{2}\) und \(\tau \colon \i \mapsto -\i \) schreiben kann:
Es gilt \(\sigma ^0 = \id \),  \(\sigma ^1\colon \sqrt [4]{2} \mapsto \i \sqrt [4]{2}\),  \(\sigma ^2\colon \sqrt [4]{2} \mapsto -\sqrt [4]{2}\),  \(\sigma ^3\colon \sqrt [4]{2} \mapsto -\i \sqrt [4]{2}\) sowie
\(\tau \colon \i \mapsto -\i \),  \(\tau \circ \sigma \colon \sqrt [4]{2} \mapsto -\i \sqrt [4]{2},\; \i \mapsto -\i \),  \(\tau \circ \sigma ^2\colon \sqrt [4]{2} \mapsto -\sqrt [4]{2},\; \i \mapsto -\i \),
\(\tau \circ \sigma ^3\colon \sqrt [4]{2} \mapsto \i \sqrt [4]{2},\; \i \mapsto -\i \). Das sind die gesuchten acht Automorphismen.
Die zyklische Untergruppe \(H_1 = \{\id = \sigma ^0, \sigma ^1, \sigma ^2, \sigma ^3\}\) von \(\Gal (L/\rational )\) ist ein Normalteiler, da sie Index \(2\) hat. Die Galoisgruppe \(\Gal (L/\rational )\) ist isomorph zur Symmetriegruppe eines Quadrats (Diedergruppe), wobei \(\sigma \) die Drehung und \(\tau \) die Spiegelung ist.

Was sind die Untergruppen von \(\Gal (L/\rational )\)? Diese haben Ordnung \(1\), \(2\), \(4\) oder \(8\).
Gruppen \(H = \{\id , g\}\) der Ordnung \(2\) besitzen zwei selbstinverse Elemente. Von den oben aufgezählten Elementen besitzen \(\id \) Ordnung \(1\), \(\sigma \) und \(\sigma ^3\) Ordnung \(4\) und alle anderen Ordnung \(2\). Also gibt es \(5\) Untergruppen der Ordnung \(2\).
Gruppen der Ordnung \(4\) sind zum einen \(H_1 = \erzeugnis {\sigma }\). Alle anderen Gruppen sind aufgrund der Primzahlquadratordnung abelsch, d. h. diese sind isomorph zu \(\integer /2\integer \times \integer /2\integer \), erzeugt von kommutierenden Elementen der Ordnung \(2\).
Dies sind z. B. \(\sigma ^2\) zusammen mit \(\tau \) und \(\sigma ^2\) zusammen mit \(\sigma \circ \tau \), also gibt es \(3\) Untergruppen der Ordnung \(H\).

(4.1–4.0) \{begin}{align*} \begin{xy} \xymatrix { & & \Gal (L/\rational ) \\ & H_2 \ar @{-}[ur] & H_1 \ar @{-}[u] & H_3 \ar @{-}[ul] \\ J_4 \ar @{-}[ur] & J_2
\ar @{-}[u] & J_1 \ar @{-}[ul] \ar @{-}[u] \ar @{-}[ur] & J_3 \ar @{-}[u] & J_5 \ar @{-}[ul] \\ & & \{\id \} \ar @{-}[ull] \ar @{-}[ul] \ar @{-}[u] \ar @{-}[ur] \ar
@{-}[urr] } \end {xy} \{end}{align*}

Dabei ist \(J_4 = \{\id , \sigma ^2 \circ \tau \}\), \(J_2 = \{\id , \tau \}\), \(J_1 = \{\id , \sigma ^2\}\), \(J_3 = \{\id , \sigma \circ \tau \}\) und \(J_5 = \{\id , \sigma ^3 \circ \tau \}\) sowie \(H_2 = \{\id , \sigma ^2, \tau , \sigma ^2 \circ \tau \}\), \(H_1 = \{\id , \sigma , \sigma ^2, \sigma ^3\}\) und \(H_3 = \{\id , \sigma ^2, \sigma \circ \tau , \sigma ^3 \circ \tau \}\).

Nun müssen die nach dem Hauptsatz der Galoistheorie entsprechenden Zwischenkörper zugeordnet werden. Für \(L^{H_1}\) gilt wegen \(H_1 = \erzeugnis {\sigma }\), \([L^{H_1}:\rational ] = \frac {[L:\rational ]}{[L:L^{H_1}]} = \frac {[L:\rational ]}{|H_1|} = \frac {8}{4} = 2\) und \(\sigma (\i ) = \i \), d. h. \(\i \in L^{H_1}\) und somit \(L^{H_1} = \rational (\i )\).
\(L^{H_2}\) kann aus obiger Basis berechnet werden (Koeffizientenvergleich): Analog gilt ebenfalls \([L^{H_2}:\rational ] = 2\) und \(\sqrt {2} \in L^{H_2}\), da \(\sqrt {2}\) fest unter \(\tau \) und \(\sigma ^2\) bleibt. Also ist \(L^{H_2} = \rational (\sqrt {2})\).
Auf analoge Weise ist \(L^{H_3} = \rational (\i \sqrt {2})\), da \(H_3\) das Basiselement \(\i \sqrt {2}\) festlässt.

\(L^{J_1}\) bestimmt man, indem man die Inklusionen betrachtet: Wegen \(L^{H_i} \subset L^{J_1}\) für \(i = 1, 2, 3\) ist \(\i , \sqrt {2} \in L^{J_1}\), d. h. \(\rational (\i , \sqrt {2}) \subset L^{J_1}\). Die Erweiterung \(\rational (\i , \sqrt {2})/\rational \) hat allerdings schon Grad \(4\) (und \([L^{J_1}:\rational ] = 4\)), weswegen \(L^{J_1} = \rational (\i , \sqrt {2})\) gilt.
Da \(\rational (\sqrt [4]{2})\) ein echter Erweiterungskörper von \(L^{H_2} = \rational (\sqrt {2})\) ist (und dieser Körper kein Erweiterungskörper von \(L^{H_3}\) ist), muss \(L^{J_2}\) oder \(L^{J_4}\) gleich \(\rational (\sqrt [4]{2})\) sein. Wegen \(\tau (\sqrt [4]{2}) = \sqrt [4]{2}\) und \(J_2 = \erzeugnis {\tau }\) gilt daher \(\rational (\sqrt [4]{2}) = L^{J_2}\).
Der andere Körper \(L^{J_4}\) ist dann gleich \(\rational (\i \sqrt [4]{2})\) aus analogen Gründen.

Wegen \(J_3 = \{\id , \sigma \circ \tau \}\) und \(\sigma \circ \tau \colon \i \mapsto -\i \), \(\sqrt [4]{2} \mapsto \i \sqrt [4]{2}\) gilt \(\i \sqrt [4]{2} \mapsto \sqrt [4]{2}\), also
\(\sqrt [4]{2} + \i \sqrt [4]{2} \mapsto \sqrt [4]{2} + \i \sqrt [4]{2}\). Somit ist \((1 + \i )\sqrt [4]{2} \in L^{J_3}\). Da die Erweiterung \(\rational ((1 + \i )\sqrt [4]{2})/\rational \) bereits Grad \(4\) besitzt (da \(((1 + \i )\sqrt [4]{2})^2 = 2\i \sqrt {2}\) und \((2\i \sqrt {2})^2 = -8 \in \rational \)), muss \(L^{J_3} = \rational ((1 + \i )\sqrt [4]{2})\) gelten.
Der andere Körper ist \(L^{J_5} = \rational ((1 - \i )\sqrt [4]{2})\) aus analogen Gründen.

Somit sieht das vollständige Diagramm aller Zwischenkörper von \(L/\rational \) folgendermaßen aus:

(4.1–4.0) \{begin}{align*} \begin{xy} \xymatrix { & & \rational \\ & \rational (\sqrt {2}) \ar @{-}[ur] & \rational (\i ) \ar @{-}[u] & \rational (\i \sqrt {2})
\ar @{-}[ul] \\ \rational (\i \sqrt [4]{2}) \ar @{-}[ur] & \rational (\sqrt [4]{2}) \ar @{-}[u] & \rational (\i , \sqrt {2}) \ar @{-}[ul] \ar @{-}[u] \ar @{-}[ur] & \rational ((1
+ \i )\sqrt [4]{2}) \ar @{-}[u] & \rational ((1 - \i )\sqrt [4]{2}) \ar @{-}[ul] \\ & & L = \rational (\sqrt [4]{2}, \i ) \ar @{-}[ull] \ar @{-}[ul] \ar @{-}[u] \ar @{-}[ur] \ar
@{-}[urr] } \end {xy} \{end}{align*}