Grundlagen, Definitionen und Notationen

Partielle Ableitungen

Multiindex:  \(\beta = (\beta _1, \dotsc , \beta _d) \in \natural _0^d\) heißt Multiindex der Ordnung \(k = |\beta | := \sum _{i=1}^d \beta _i\).

partielle Ableitung:  Seien \(u\colon \real ^d \to \real \) genügend oft differenzierbar und \(\beta \) ein Multiindex.
Dann heißt \(\partial ^\beta u := (\frac {\partial }{\partial x_1})^{\beta _1} \dotsm (\frac {\partial }{\partial x_d})^{\beta _d} u\) partielle Ableitung von \(u\) zum Index \(\beta \).

Vektor aller part. Ableitungen:  Sei \(\BB _k := \{\beta \in \natural _0^d \;|\; |\beta | = k\}\) die Menge aller Multiindizes der Ordnung \(k\). Dann heißt \(\D ^k u := (\partial ^\beta u)_{\beta \in \BB _k}\) der Vektor aller partiellen Ableitungen der Ordnung \(k\) (mit beliebiger Reihenfolge).

Räume stetig diff b. Funktionen:  Seien \(k \in \natural _0\) sowie \(\Omega \subset \real ^d\) offen und beschränkt.
Dann ist \(\C ^k(\overline {\Omega }, \real ^n)\) der Raum aller \(k\)-mal stetig differenzierbarer Funktionen, deren \(k\)-te Ableitungen stetig auf \(\overline {\Omega }\) fortsetzbar sind. Für \(n = 1\) schreibt man auch \(\C ^k(\overline {\Omega }) := \C ^k(\overline {\Omega }, \real )\).
Auf \(\C ^0(\overline {\Omega })\) definiert man die Supremumsnorm \(\norm {u}_\infty := \sup _{x \in \overline {\Omega }} |u(x)|\) mit \(u \in \C ^0(\overline {\Omega })\).
Auf \(\C ^k(\overline {\Omega })\) mit \(k \ge 1\) definiert man die Norm \(\norm {u}_{\C ^k(\overline {\Omega })} := \sum _{|\beta | \le k} \norm {\partial ^\beta u}_\infty \) mit \(u \in \C ^k(\overline {\Omega })\).

Bemerkung:

  • \(\C ^k(\overline {\Omega })\) ist ein Banachraum.

  • Für \(u \in \C ^k(\overline {\Omega })\) und \(\ell \in \{0, \dotsc , k\}\) ist \(\partial ^\beta u \in \C ^{k - |\beta |}(\overline {\Omega })\) und \(\D ^\ell u \in (\C ^{k - \ell }(\overline {\Omega }))^{|\BB _\ell |}\).

  • Die Reihenfolge der Einträge von \(\D ^1 u\) für \(u \in \C ^1(\overline {\Omega })\) wird vereinbart durch
    \(\D ^1 u := \nabla u = (\frac {\partial }{\partial x_1} u, \dotsc , \frac {\partial }{\partial x_d} u)^\tp \).

  • Später werden auch Räume \(\C ^k(\Omega )\) für \(\Omega \) offen, unbeschränkt und \(k = \infty \) erlaubt sein. Statt einer Norm kann man dann eine Metrik (Fréchet-Metrik) definieren. Bzgl. dieser ist \(\C ^k(\Omega )\) ebenfalls vollständig.

Hölderräume

Hölderräume:  Seien \(k \in \natural _0\), \(\alpha \in [0, 1]\), \(\Omega \subset \real ^d\) offen und beschränkt sowie \(u \in \C ^0(\overline {\Omega })\).
Dann heißt \(\hol _\alpha (u, \overline {\Omega }) := \sup _{x, y \in \overline {\Omega }, x \not = y} \frac {|u(x) - u(y)|}{\norm {x - y}^\alpha }\) Hölder-Konstante von \(u\) bzgl. \(\alpha \) und
\(\C ^{k,\alpha }(\overline {\Omega }) := \{u \in \C ^k(\overline {\Omega }) \;|\; \forall _{|\beta | = k}\; \hol _\alpha (\partial ^\beta u, \overline {\Omega }) < \infty \}\) Hölderraum.
\(\C ^{k,\alpha }(\overline {\Omega })\) enthält die hölderstetigen Funktionen (jeweils mit Exponent \(\alpha \)).
Für \(k = 0\) und \(\alpha = 1\) spricht man von Lipschitz-stetigen Funktionen mit Lipschitz-Konstante \(L = \Lip (u, \overline {\Omega }) := \hol _1(u, \overline {\Omega })\).

Satz (Hölderräume vollständig):
\(\C ^{k,\alpha }(\overline {\Omega })\) ist mit der Norm \(\norm {u}_{\C ^{k,\alpha }(\overline {\Omega })} := \norm {u}_{\C ^k(\overline {\Omega })} + \sum _{|\beta |=k} \hol _\alpha (\partial ^\beta u, \overline {\Omega })\) ein Banachraum.

Satz (Schachtelung von Hölderräumen):
Für \(k \in \natural _0\) und \(0 \le \widehat {\alpha } \le \alpha \le 1\) gilt \(\C ^k(\overline {\Omega }) \supset \C ^{k,\widehat {\alpha }}(\overline {\Omega }) \supset \C ^{k,\alpha }(\overline {\Omega }) \supset \C ^{k+1}(\overline {\Omega })\).

Beispiel: Seien \(\Omega := (0, 1)\) und \(u(x) := \sqrt {x}\). Dann ist \(u \in \C ^0(\overline {\Omega }) \setminus \C ^1(\overline {\Omega })\).
Es gilt \(u \in \C ^{0,\alpha }(\overline {\Omega }) \iff \alpha \le \frac {1}{2}\) (d. h. \(u\) ist insbesondere nicht Lipschitz-stetig).
Die Richtung „\(\Rightarrow \)“ gilt, weil
\(\hol _\alpha (u, \overline {\Omega }) = \sup _{x \not = y} \frac {|\sqrt {x} - \sqrt {y}|}{|x - y|^\alpha } \ge \sup _{y \not = 0} \frac {|\sqrt {0} - \sqrt {y}|}{|0 - y|^\alpha } = \sup _{y \not = 0} y^{1/2-\alpha } = \infty \) für \(\alpha > \frac {1}{2}\).

L^p-Räume

\(\widetilde {L}^p\)-Räume:  Für \(p \in [1, \infty )\) heißt \(\widetilde {L}^p(\Omega ) := \{\text {$u\colon \Omega \to \real $ Lebesgue-messb.} \;|\; \int _\Omega |u|^p \dx < \infty \}\) \(\widetilde {L}^p\)-Raum mit Seminorm \(\norm {u}_p := (\int _\Omega |u|^p \dx )^{1/p}\) für \(u \in \widetilde {L}^p(\Omega )\).
Für \(p = \infty \) ist \(L^\infty (\Omega ) := \{\text {$u\colon \Omega \to \real $ Lebesgue-messb.} \;|\; \esssup _{x \in \Omega } |u(x)| < \infty \}\) mit Norm \(\norm {u}_\infty := \esssup _{x \in \Omega } |u(x)|\).

Bemerkung:

  • \(\norm {\cdot }_p\) ist i. A. keine Norm auf \(\widetilde {L}^p(\Omega )\) für \(p \in [1, \infty )\) (\(\exists _{u \in \widetilde {L}^p(\Omega )}\) mit \(u \not = 0\), aber \(\norm {u}_p = 0\)).

  • Für \(u \in \C ^0(\overline {\Omega })\) ist \(u \in \widetilde {L}^\infty (\overline {\Omega })\) und beide Definitionen von \(\norm {\cdot }_\infty \) stimmen überein.

\(L^p\)-Räume:  Definiere eine Äquivalenzrelation \(\sim \) auf \(\widetilde {L}^p(\Omega )\) durch \(u \sim v\), falls
\(\exists _{\text {$N \subset \Omega $ Nullmenge}} \forall _{x \in \Omega \setminus N}\; u(x) = v(x)\). Dann heißt \(L^p(\Omega ) := \widetilde {L}^p(\Omega )/\!\sim \) \(L^p\)-Raum.
\(\norm {\cdot }_p\) ist auf \(L^p(\Omega )\) erweiterbar (da konstant auf Äquivalenzklassen).

Bemerkung:

  • \(L^p(\Omega )\) ist ein Banachraum.

  • Die Elemente von \(L^p(\Omega )\) sind eigentlich Äquivalenzklassen von Funktionen. Trotzdem identifiziert man diese in der Praxis oft mit Repräsentanten und nennt \(L^p(\Omega )\) einen „Funktionenraum“. Man sollte dabei immer bedenken, ob die definierten Operationen wohldefiniert sind (z. B. sei \(T, S\colon L^1(\Omega ) \to \real \), dann ist \(T(u) := \int _\Omega u(x) \dx \) wohldefiniert, aber \(S(u) := u(y)\) für ein festes \(y \in \Omega \) nicht).

  • \(\innerproduct {u, v}_{L^2(\Omega )} := \int _\Omega uv \dx \) ist ein Skalarprodukt auf \(L^2(\Omega )\) mit induzierter Norm
    \(\norm {u}_{L^2(\Omega )} = \sqrt {\langle u, u \rangle _{L^2(\Omega )}}\), d. h. \(L^2(\Omega )\) ist ein Hilbertraum.

  • Ist \(V\) ein normierter Raum, dann ist der Dualraum \(V’ := \{\varphi \colon V \to \real \;|\; \text {$\varphi $ linear, stetig}\}\) mit der Norm \(\norm {\varphi }_{V’} := \sup _{u \in V \setminus \{0\}} \frac {|\varphi (u)|}{\norm {u}_V}\) ein Banachraum.

  • Für \(p, q \in (1, \infty )\) mit \(\frac {1}{p} + \frac {1}{q} = 1\) ist \(L^q(\Omega ) \cong (L^p(\Omega ))’\) (z. B. \(L^2(\Omega ) \cong (L^2(\Omega ))’\)).

Satz (Youngsche Ungleichung): Für \(a, b \ge 0\) und \(p, q \in (1, \infty )\) mit \(\frac {1}{p} + \frac {1}{q} = 1\) gilt \(ab \le \frac {1}{p} a^p + \frac {1}{q} b^q\).
Ist zusätzlich \(\varepsilon > 0\), so gilt \(ab \le \frac {\varepsilon }{2} a^2 + \frac {1}{2\varepsilon } b^2\).

Bemerkung: Die Young-Ungleichung wird zur Trennung von Produkten verwendet.

Satz (Hölder-Ungleichung):
Für \(p, q \in [1, \infty ]\) mit \(\frac {1}{p} + \frac {1}{q} = 1\) sowie \(u \in L^p(\Omega )\) und \(v \in L^q(\Omega )\) gilt \(\norm {uv}_1 \le \norm {u}_p \norm {v}_q\).

Bemerkung: Insbesondere ist \(uv \in L^1(\Omega )\) und für \(p = q = 2\) folgt Cauchy-Schwarz für \(L^2(\Omega )\).

Fundamentalsatz der Variationsrechnung

lokal intb. Fkt.en:  \(L^1_\loc (\Omega ) := \{\text {$u\colon \Omega \to \real $ L.-messbar} \;|\; \forall _{\text {$K \subset \Omega $ kpkt.}}\; \int _K |u|\dx < \infty \}\) ist der Raum aller lokal integrierbaren Funktionen.

Beispiel: Für \(u\colon \real \to \real \), \(u(x) :\equiv 1\), gilt \(u \in L^1_\loc (\real ) \setminus L^1(\real )\).

Fkt.en mit kpkt. Träger:  Seien \(\Omega \subset \real ^d\) offen (evtl. unbeschr.) und \(m \in \natural _0 \cup \{\infty \}\).
Dann ist \(\C ^m_0(\Omega ) := \{u \in \C ^m(\Omega ) \;|\; \text {$\supp (u) \subset \Omega $ kpkt.}\}\) der Raum aller Fkt.en mit kpkt. Träger.

Satz (Fundamentalsatz der Variationsrechnung): Seien \(\Omega \subset \real ^d\) offen und \(u \in L^1_\loc (\Omega )\).
Dann gilt \(\forall _{v \in \C ^\infty _0(\Omega )}\; \int _\Omega uv \dx = 0\) genau dann, wenn \(u = 0\) fast überall.

Differentialoperatoren

Gradient:  Für \(u \in \C ^1(\Omega )\) und \(x \in \Omega \) ist \(\grad u(x) := \nabla u(x) = (\partial _{x_1} u(x), \dotsc , \partial _{x_d} u(x))^\tp \) der Gradient von \(u\) (wobei \(\partial _{x_i} := \frac {\partial }{\partial x_i}\)).

Divergenz:  Für ein Vektorfeld \(v = (v_i)_{i=1}^d \in \C ^1(\Omega , \real ^d)\) ist
\(\div v(x) := \nabla \cdot v(x) = \sum _{i=1}^d \partial _{x_i} v_i(x)\) die Divergenz von \(v\).

Rotation:  Für ein Vektorfeld \(v \in \C ^1(\Omega , \real ^3)\) mit \(\Omega \subset \real ^3\) ist
\(\rot v(x) := \nabla \times v(x)\) die Rotation von \(v\).

Laplace-Operator:  Für \(u \in \C ^2(\Omega )\) ist der Laplace-Operator definiert durch
\(\Delta u(x) := \nabla \cdot (\nabla u(x)) = \div (\grad (u)) = \sum _{i=1}^d \partial _{x_i}^2 u(x)\) (wobei \(\partial _{x_i}^2 := \frac {\partial ^2}{\partial x_i^2}\)).

Satz von Gauß

Lipschitz-Gebiet:  Sei \(\Omega \subset \real ^d\) offen und beschränkt.
Dann heißt \(\Omega \) Lipschitz-Gebiet, falls endlich viele offene Mengen \(U_1, \dotsc , U_n \subset \real ^d\) existieren, sodass \(\bigcup _{i=1}^n U_i \supset \partial \Omega \) gilt und sich \(\partial \Omega \cap U_i\) in geeigneter Richtung als Graph einer Lipschitz-stetigen Funktion schreiben lässt, sodass \(\Omega \) komplett auf einer Seite des Graphen liegt.

Satz (Satz von Gauß für Lipschitz-Gebiete):
Seien \(\Omega \subset \real ^d\) ein L.-Gebiet und \(v \in \C ^1(\Omega , \real ^d) \cap \C ^0(\overline {\Omega }, \real ^d)\) ein Vektorfeld mit \(\div (v) \in L^1(\Omega )\).
Dann gilt \(\int _\Omega \div v \dx = \int _{\partial \Omega } v \cdot n \dsigma (x)\) mit \(n\) der äußeren Einheitsnormalen an \(\partial \Omega \).

Satz (partielle Integration): Für \(u \in \C ^1(\overline {\Omega })\) und \(v \in \C ^1(\overline {\Omega }, \real ^d)\) gilt
\(\int _\Omega \nabla u \cdot v \dx = -\int _\Omega u \div v \dx + \int _{\partial \Omega } uv \cdot n \dsigma (x)\).

Skalare PDEs

skalare PDE:  Seien \(k \in \natural \) und \(F\colon \real ^{|\BB _k|} \times \real ^{|\BB _{k-1}|} \times \dotsb \times \real \times \Omega \to \real \) gegeben.
Dann heißt \(F(\D ^k u, \D ^{k-1} u, \dotsc , u, x) = 0\) für \(x \in \Omega \) skalare PDE der Ordnung \(k\).

Bemerkung: Es gibt auch Systeme von PDEs, die hier nicht weiter betrachtet werden.

klassische Lösung:  Sei eine skalare PDE gegeben.
Eine Funktion \(u \in \C ^k(\Omega )\) heißt klassische Lösung, falls \(\forall _{x \in \Omega }\; F(\D ^k u, \D ^{k-1} u, \dotsc , u, x) = 0\).

Bemerkung: Alle Notationen für \(\Omega \subset \real ^d\) mit \(x = (x_1, \dotsc , x_d) \in \Omega \) werden auf Ort-Zeit-Gebiete \(\Omega _T := \Omega \times (0, T) \subset \real ^d \times \real \) mit \(T \in (0, \infty ]\), \((x, t) \in \Omega _T\), \(\partial _t := \frac {\partial }{\partial t}\) und \(\partial _t^2 := \frac {\partial ^2}{\partial t^2}\) übertragen.
In diesem Fall wird für \(u \in \C ^1(\Omega _T)\) festgelegt, dass \(\nabla u := \nabla _x u = (\partial _{x_1} u, \dotsc , \partial _{x_d} u)\) und
\(\Delta u := \Delta _x u = \sum _{i=1}^k \partial _{x_i}^2 u\).

Modellierung

Bemerkung: Unter Modellierung versteht man die Herleitung eines mathematischen Modells für einen realen Prozess. Es gibt verschiedene Modellierungsansätze, die zu PDEs führen, u. a. Erhaltungsprinzip, Variationsprinzip und Mikro-Makro-Skalenübergang.

Erhaltungsprinzip

Bemerkung: Das Erhaltungsprinzip wird wie folgt motiviert. Für eine Zustandsgröße (Masse, Impuls, Energie) gilt, dass die Änderung der Zustandsgröße in einem beliebigen Volumen \(V\) nur durch Transport über den Rand \(\partial V\) des Volumens geschehen kann (wenn keine Quellen und Senken vorhanden sind).

Bemerkung: Im Folgenden wird die allgemeine Transport-Reaktionsgleichung hergeleitet.

Seien \(\Omega \subset \real ^d\) und \(\Omega _T := \Omega \times (0, T)\). Gesucht ist ein Modell für die Konzentration \(u(x, t)\) eines Stoffes in \(\Omega \) (z. B. Tinte in Wasser, Ruß in Luft) unter den folgenden Annahmen:

  • Der Stoff wird nur durch Transport im Raum verteilt.

  • Der Stoff kann abgebaut oder erzeugt werden (Bsp. Tintenkiller oder Schornstein).

Dazu definiert man

  • den Fluss \(F(x, t) \in \real ^d\) durch \(x\) zur Zeit \(t\) und

  • den Konzentrationsgewinn/-verlust \(G(x, t) \in \real \) in \(x\) zur Zeit \(t\).

Zur Herleitung der PDE stellt man eine Massenbilanz in einem Kontrollvolumen \(V \subset \Omega \) im Zeitintervall \([t, t + \Delta t]\) für \(\Delta t > 0\) beliebig auf: Die Masse zur Zeit \(t + \Delta t\) ist gleich der Masse zur Zeit \(t\) minus dem Ausfluss aus \(V\) plus dem Konzentrationsgewinn durch Reaktion, d. h. \(\int _V u(x, t + \Delta t) \dx = \int _V u(x, t) \dx - \int _t^{t + \Delta t} \int _{\partial V} F(x,s) \cdot n\dsigma (x) \ds + \int _t^{t + \Delta t} \int _V G(x, s) \dx \ds \)
\(\iff \int _V \frac {u(x, t + \Delta t) - u(x, t)}{\Delta t} \dx = -\frac {1}{\Delta t} \int _t^{t + \Delta t} \int _{\partial V} F(x,s) \cdot n\dsigma (x) \ds + \frac {1}{\Delta t} \int _t^{t + \Delta t} \int _V G(x, s) \dx \ds \).
Für \(\Delta t \to 0\) erhält man \(\int _V \partial _t u(x, t) \dx = -\int _{\partial V} F(x, t) \cdot n \dsigma (x) + \int _V G(x, t) \dx \) und nach dem Satz von Gauß somit \(\int _V \partial _t u(x, t) \dx = -\int _V \div _x F(x, t) \dx + \int _V G(x, t) \dx \). Weil \(V\) beliebig war, kann man \(V\) auf einen Punkt \(x\) „zusammenziehen“ und bekommt die
Transport-Reaktionsgleichung \(\partial _t u + \div F = G\) in \(\Omega _T\).

Beispiel: Ohne Transport (d. h. \(F :\equiv 0\)), aber \(u\)-abhängiger Reaktion \(G(t, x, u)\) bekommt man die in \(x \in \Omega \) parametrisierte gewöhnliche DGL \(\partial _t u(x, t) = G(x, t, u(x, t))\) für \(t \in (0, T)\).

Beispiel: Sei \(v \in \C ^1(\Omega _T, \real ^d)\) ein Geschwindigkeitsfeld. Mit \(F(x, t) := v(x, t) \cdot u(x, t)\) und
\(G(x, t) := 0\) bekommt man die Advektionsgleichung \(\partial _t u + \div (vu) = 0\) (lineare PDE).

Beispiel: Wenn man Autos in einer Einbahnstraße modellieren will, dann setzt man \(d = 1\). \(\Omega := \real \) entspricht der Straße und \(u(x, t) \in \real \) der Fahrzeugdichte (Anzahl pro Strecke).
Eine \(u\)-abhängige Geschwindigkeit ist realistisch (z. B. \(v(u) = v_{\max }(1 - u)\)).
Mit \(F(u) := v(u) \cdot u\) (d. h. \(F(x, t) = v(u(x, t)) \cdot u(x, t)\)) und \(G(x, t) := 0\) erhält man die Konvektionsgleichung \(\partial _t u + \partial _x F(u) = 0\) in \(\Omega _T\).

Beispiel: Sei \(a \in \C ^1(\Omega )\) (Diffusionskoeffizient). Will man Transport durch Diffusion modellieren, so benutzt man \(G :\equiv 0\) und \(F(x, t) := -a(x) \nabla u(x, t)\) (Ficksches Gesetz). Die Motivation ist, dass starke Gradienten ausgeglichen werden. Damit erhält man die allg. Diffusionsgleichung \(\partial _t u - \div (a \nabla u) = 0\).

Ist \(a \in \C ^1(\Omega , \real ^{d \times d})\) matrix-/tensorwertig, so heißt \(a\) Diffusionstensor (sinnvoll, wenn die Diffusion wie in Faserstrukturen richtungsabhängig unterschiedlich verläuft). Für \(a(x) \equiv 1\) konstant ergibt sich die Diffusionsgleichung \(\partial _t u - \Delta u = 0\).

Ist \(u(x, t)\) eine Temperatur, so heißt diese Gleichung instationäre Wärmeleitungsgleichung, \(F\) Wärmefluss und \(a\) Wärmeleitkoeffizient.

Beispiel: Falls die Lösung \(u(x, t)\) der instationären Wärmeleitungsgleichung in einen stationären Zustand übergeht, d. h. \(\overline {u} \in \C ^2(\overline {\Omega })\) existiert mit \(u(\cdot , t) \to \overline {u}\) gleichmäßig, so erfüllt \(\overline {u}\) die Laplace-Gleichung \(-\Delta \overline {u} = 0\) in \(\Omega \).

Falls in der Wärmeleitungsgleichung ein Quellterm \(G(x, t) := f(x)\) enthalten ist (Ofen, Kühlschrank), so führt dies asymptotisch zur Poisson-Gleichung \(-\Delta \overline {u} = f\) in \(\Omega \).

Bemerkung: Ohne weitere Bedingungen sind Lösungen von PDEs i. A. nicht eindeutig. Für die Transport-Reaktionsgleichung fordert man häufig:

  • Anfangsbedingungen: \(u_0(\cdot , 0) = u_0\) für ein gegebenes \(u_0\colon \Omega \to \real \)
    (wie bei gewöhnlichen DGLs, da sonst Lsg. mehrdeutig)

  • Randbedingungen für \(\Omega \subsetneqq \real ^d\):

    • Dirichlet-Randbedingungen: \(u(x, t) = g(x, t)\) auf \(\partial \Omega \times (0, T)\)
      (z. B. bei Wärmeleitung Kühlung/Heizung durch vorgeg. Temp. am Rand)

    • Neumann-Randbedingungen: \(F(x, t, u) \cdot n(x) = g(x, t)\) auf \(\partial \Omega \times (0, T)\)
      (Vorgeben des Flusses, bei Wärmeleitung isolierende, No-Flow-RBen \(-(a \nabla u) \cdot n = 0\))

    • weitere Mischformen: auf Teilen des Randes Dirichlet-, auf Teilen Neumann-RBen

    • Robinsche Randbedingungen: \(F(x, t, u) \cdot n(x) = g_0(x, t) + g_1(x, t) \cdot u\)

    • Inflow-Randbedingungen: RBen auf Einflussrand bei reiner Konvektion (ohne Diffusion)

Variationsprinzip

Bemerkung: Die Motivation des Variationsprinzips ist z. B. bei der Energieminimierung, dass ein physikalisches System immer in den Zustand minimaler Energie strebt.

Variationsproblem:  Seien \(\Omega \subset \real ^d\) offen und beschränkt, \(\F \subset \C ^1(\Omega )\) die Menge zulässiger Funktionen und \(L(p, z, x) \in \C ^2(\real ^d \times \real \times \Omega )\) die Lagrange-Funktion. Das Problem, \(u \in \F \) mit \(\forall _{w \in \F }\; I(u) \le I(w)\) zu finden, wobei \(I(w) := \int _\Omega L(\nabla w(x), w(x), x) \dx \), heißt Variationsproblem.
\(u\) heißt in diesem Fall Minimierer des Variationsproblems.

Bemerkung: \(L\) soll zweifach stetig diffb. sein, weil das für die Euler-Lagrange-Gleichungen benötigt wird.

Beispiel: Seien \(\Omega \subset \real ^d\) offen und beschränkt, \(A := (a_{ij})_{i,j=1}^d \in \C ^2(\overline {\Omega }, \real ^{d \times d})\) symmetrisch, \(c, f \in \C ^2(\overline {\Omega })\) und \(\F := \C ^1(\Omega )\). Man wählt die quadratische Lagrange-Funktion
\(L(p, z, x) := \frac {1}{2} p^\tp A(x) p + \frac {1}{2} c(x) z^2 - z f(x)\). Das zugehörige Funktional
\(I(w) = \int _\Omega (\frac {1}{2} \nabla w^\tp A \nabla w + \frac {1}{2} cw^2 - wf) \dx \) heißt Dirichlet-Funktional. \(I(w)\) ist dabei endlich.
Wenn \(A(\cdot )\) positiv definit und \(c\) positiv (d. h. \(\forall _{x \in \Omega }\; c(x) > 0\)) ist, dann ist \(I\) strikt konvex, also \(\forall _{w, w’ \in \F ,\; w \not = w’} \forall _{\lambda \in (0, 1)}\; \lambda I(w) + (1 - \lambda ) I(w’) > I(\lambda w + (1-\lambda ) w’)\). Nach einem Satz weiter unten folgt damit die Existenz und Eindeutigkeit des Minimierers.

Beispiel: Das Hamilton-Prinzip besagt, dass im räumlich-zeitlichen Mittel die Differenz zwischen kinetischer und potentieller Energie extremal wird. Im Folgenden wird dies für die Bewegung einer eingespannten elastischen Membran angewendet (z. B. Seifenhaut in Drahtring, Trommel).

Seien \(\Omega \subset \real ^d\) offen und beschränkt und \(\Omega _T := \Omega \times (0, T)\). Gegeben ist die feste Randhöhe \(g(x)\) der Membran in \(x \in \partial \Omega \), die Anfangshöhe \(u_0(x)\) der Membran in \(x \in \Omega \) und die vertikale Anfangsgeschwindigkeit \(v_0(x)\) in \(x \in \Omega \). Gesucht ist die Höhe \(u(x, t)\) (und die Geschwindigkeit \(\partial _t u(x, t)\)) der Membran für \((x, t) \in \Omega _T\).

Die kinetische Energie zur Zeit \(t\) beträgt \(E_\kin (t) := \int _\Omega \frac {1}{2} (\partial _t u)^2 \dx \) und die potentielle Energie zur Zeit \(t\) beträgt \(E_\pot (t) := \int _\Omega \frac {c^2}{2} \norm {\nabla _x u}^2 \dx \) mit \(c > 0\).

Die Menge der zulässigen Funktionen sei
\(\F := \{w \in \C ^1(\overline {\Omega _T}) \;|\; w(\cdot , 0) = u_0,\; \partial _t w(\cdot , 0) = v_0,\; \forall _{t \in (0, T)}\; w(\cdot , t)|_{\partial \Omega } = g\}\).
\(\F \) ist als affin-linearer Unterraum von \(\C ^1(\overline {\Omega _T})\) konvex (wählt man \(\widehat {w} \in \F \) beliebig, dann ist \(\F _0 := \F - \widehat {w} = \{w \in \C ^1(\overline {\Omega _T}) \;|\; w(\cdot , 0) = 0,\; \partial _t w(\cdot , 0) = 0,\; \forall _{t \in (0, T)}\; w(\cdot , t)|_{\partial \Omega } = 0\}\) linearer UR).

Die Lagrange-Funktion ist nach dem Hamilton-Prinzip zu wählen als
\(L(p, z, x) := \frac {c^2}{2} \sum _{i=1}^d |p_i|^2 - \frac {1}{2} |p_{d+1}|^2\), denn damit erhält man das Variationsfunktional
\(I(w) = \int _0^T \int _\Omega \left (\frac {c^2}{2} \norm {\nabla _x w}^2 - \frac {1}{2} (\partial _t w)^2\right ) \dx \dt = \int _0^T (E_\pot (t) - E_\kin (t)) \dt \).

Beispiel: Es soll die Trennung von zwei Phasen in \(\Omega \) modelliert werden (Wasser/Öl). Im Gleichgewicht sind beide Phasen so getrennt, dass die in der Trennfläche gesp. Energie minimal wird.

Sei \(\Omega \subset \real ^d\) offen und beschränkt. Gesucht ist eine Phasenfeld-Variable \(u\colon \Omega \to \real \) mit
\(u(x) = -1\), falls sich im Punkt \(x\) nur Phase \(1\) befindet, \(u(x) = 1\), falls sich im Punkt \(x\) nur Phase \(2\) befindet, und \(u(x) \in (-1, 1)\), falls im Punkt \(x\) beide Phasen anteilig vorhanden sind.

\(\partial \Omega \) sei undurchlässig, d. h. das Phasenverhältnis ist konstant, also \(\exists _{\alpha \in [-1, 1]}\; \alpha = \frac {1}{|\Omega |} \int _\Omega u(x) \dx \).

Es sind verschiedene Trennungen für \(\Omega = [0, 1]^2\) und \(\alpha = 0\) denkbar, z. B.

  • keine Trennung (kontinuierlicher Verlauf von \(u = 1\) zu \(u = -1\)),

  • Trennung, aber Trennfläche groß („wilde“ Trennfläche, Blasen), oder

  • Trennung, aber scharfe Kanten (nicht differenzierbar).

Das Ziel ist ein Energiefunktional, dessen Minimum der vollständigen Trennung entspricht.

Wählt man eine Double-Well-Funktion \(W(z)\), die große Abweichungen von \(-1\) und \(1\) bestraft, z. B. \(W(z) := (z^2-1)^2\), und setzt \(L(p, z, x) := W(z)\), so erhält man das Variationsfunktional \(I(w) = \int _\Omega W(w(x)) \dx \). Allerdings ergeben sich folgende Probleme:

  • mathematisch: Für \(\alpha \in (-1, 1)\) existieren keine \(\C ^1\)-Minimierer, denn in \(L^1\) ist jedes
    \(u \in L^1(\Omega )\) mit \(\frac {1}{|\Omega |} \int _\Omega u(x) \dx = \alpha \) und \(\Bild (u) \subset \{-1, 1\}\) ein Minimierer mit \(I(u) = 0\).
    Das Variationsproblem ist also über \(\C ^1\) schlecht gestellt, weil diese \(u\) sehr unregulär sind.

  • physikalisch: Die Lösungen sind unnatürlich, z. B. sind beliebig viele Vorzeichenwechsel möglich. Außerdem wird die Trennfläche nicht berücksichtigt.

Eine Verbesserung kann eine Regularisierung sein, indem ein zusätzlicher Summand eine kleine Norm der Lösung erzwingt, z. B. \(L(p, z, x) := W(z) + \frac {1}{2} \norm {p}^2\). Damit bekommt man das van-der-Waals-Funktional \(I(w) = \int _\Omega \left (W(w(x)) + \frac {1}{2} \norm {\nabla w(x)}^2\right ) \dx \).

Man erhält durch Minimierung tatsächlich eine Trennung mit einer diffusiven Grenzschicht (im Gegensatz zu scharfen Phasengrenzen) und die Lösung ist differenzierbar.

Bemerkung: Variationsfunktionale können also physikalische Energieterme, künstliche Regularisierungsterme (\(\norm {\nabla u}^2\), \(\norm {u}^2\), …) und Zielwert-Funktionale umfassen.

Bemerkung: Im Folgenden werden PDEs aus Variationsproblemen hergeleitet.

Satz (Variationsprinzip, notwendige Bedingung):
Seien \(\F \) ein affin-linearer Raum, \(I(\cdot )\) stetig diffb. und \(u \in \F \) ein Minimierer von \(I(\cdot )\).
Dann gilt \(\frac {\d }{\d \varepsilon } I(u + \varepsilon v)|_{\varepsilon =0} = 0\) für alle zulässigen Variationen \(v \in \F - u\).

Satz (hinreichende Bedingung): Seien \(\F \) konvex sowie \(I(\cdot )\) stetig diffb. und konvex. Dann gilt:

  • Jede Funktion \(u \in \F \) mit \(\forall _{v \in \F - u}\; \frac {\d }{\d \varepsilon } I(u + \varepsilon v)|_{\varepsilon =0} = 0\) ist ein Minimierer.

  • Die Menge der Minimierer ist konvex in \(\F \).

  • Ist \(I(\cdot )\) strikt konvex, so ist der Minimierer (falls existent) eindeutig.

Satz (Euler-Lagrange-Gleichung):
Seien \(\Omega \subset \real ^d\) ein Lipschitz-Gebiet, \(\F \subset \C ^1(\overline {\Omega })\) ein affin-linearer Unterraum mit \(\F + \C _0^\infty (\Omega ) \subset \F \), \(u \in \F \cap \C ^2(\Omega )\) ein Minimierer von \(I(\cdot )\) und \(L(p, z, x)\) genügend glatt.
Dann erfüllt \(u\) die PDE \(-\sum _{i=1}^d \partial _{x_i} ((\partial _{p_i} L) (\nabla u, u, x)) + \partial _z L(\nabla u, u, x) = 0\) für \(x \in \Omega \).
Die PDE \(-\div _x(\nabla _p L(\nabla u, u, x)) + \partial _z L(\nabla u, u, x) = 0\) heißt Euler-Lagrange-Gleichung.

Beispiel: Betrachtet man die Lagrange-Funktion \(L(p, z, x) := \frac {1}{2} p^\tp A(x) p + \frac {1}{2} c(x) z^2 - zf(x)\) des Dirichlet-Funktionals, so erhält man wegen \(\nabla _p L(p, z, x) = Ap\) und \(\partial _z L(p, z, x) = cz - f\) die Euler-Lagrange-Gleichung \(-\div (A\nabla u) + cu - f = 0\) für \(x \in \Omega \). Spezialfälle sind:

  • \(A :\equiv I_d\), \(c, f :\equiv 0\) \(\implies \) \(-\Delta u = 0\) (Laplace-Gleichung)

  • \(d := 1\), \(a_{11} > 0\), \(c > 0\) \(\implies \) \(-a_{11} u’’ + cu = f\) (Sturm-Liouville-Problem)

Beispiel: Mit der Lagrange-Funktion \(L(p, z, x) := \frac {c^2}{2} \sum _{i=1}^d |p_i|^2 - \frac {1}{2} |p_{d+1}|^2\) aus dem Hamilton-Prinzip erhält man \(\partial _{p_i} L(p, z, x) = c^2 p_i\) für \(i = 1, \dotsc , d\), \(\partial _{p_{d+1}} L(p, z, x) = -p_{d+1}\) und
\(\partial _z L(p, z, x) = 0\). Die Euler-Lagrange-Gleichung lautet also \(\partial _t^2 u - c^2 \Delta u = 0\) für \(x \in \Omega \)
(Wellengleichung).

Beispiel: Die PDE für den Trennungsprozess von eben erhält man wie folgt. Mit \(\F := \C ^1(\Omega )\) ohne die Nebenbedingung \(\frac {1}{|\Omega |} \int _\Omega u(x)dx = \alpha \) gilt \(\F + \C _0^\infty (\Omega ) \subset \F \). In diesem Fall gilt mit der Lagrange-Funktion \(L(p, z, x) := W(z) + \frac {1}{2} \norm {p}^2\), dass \(\nabla _p L(p, z, x) = p\) und \(\partial _z L(p, z, x) = W’(z)\).
Man erhält also die Euler-Lagrange-Gleichung \(-\Delta u + W’(u) = 0\) für \(x \in \Omega \)
(stationäre Allen-Cahn-Gleichung).

Mikro-Makro-Skalenübergang

Bemerkung: PDEs können aus stochastischen Überlegungen und einem Mikro-Makro-Skalenübergang resultieren. Im nächsten Beispiel erhält man aus einem Mikroskalenmodell (Partikel) ein Makroskalenmodell (Kontinuum).

Beispiel: Im Folgenden soll die Brownsche Bewegung von Partikeln in einem Fluid modelliert werden. Man geht davon aus, dass der Weg eines Partikels sehr irregulär und die Bewegung unterschiedlicher Partikel unabhängig ist.

Für ein eindimensionales Modell seien \(\Omega _T := \real \times (0, \infty )\), \(h > 0\) die Ortsschrittweite, \(x_m := mh\) Gitterpunkte für \(m \in \integer \), \(k := \alpha h^2\) die Zeitschrittweite für ein \(\alpha > 0\), \(t_n := nk\) diskrete Zeitpunkte für \(n \in \natural _0\) und \(\T _h := \{(x_m, t_n) \;|\; m \in \integer ,\; n \in \natural _0\}\) das Raum-Zeit-Gitter.

Es soll ein einzelnes Partikel modelliert werden. Anfangs (zu \(t = t_0\)) befindet es sich in \(x_0\). Danach gilt: Wenn es sich zur Zeit \(t = t_n\) in \(x_m\) befindet, dann ist es einen Zeitschritt später (zu \(t = t_{n+1}\)) entweder in \(x_{m-1}\) oder in \(x_{m+1}\) (jeweils mit \(50\)-prozentiger Wahrscheinlichkeit).

Sei \(p_h(x_m, t_n)\) die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Partikel zu \(t = t_n\) in \(x_m\) befindet (es gilt \(\sum _{m \in \integer } p_h(x_m, t_n) = 1\)). Für \(t = t_0\) gilt \(p_h(x_m, t_0) = \delta _{m,0}\). Danach gilt
\(p_h(x_m, t_{n+1}) = \frac {1}{2} (p_h(x_{m-1}, t_n) + p_h(x_{m+1}, t_n))\), also \(\frac {p_h(x_m, t_{n+1}) - p_h(x_m, t_n)}{k}\)
\(= \frac {1}{2} \frac {p_h(x_{m-1}, t_n) - 2p_h(x_m, t_n) + p_h(x_{m+1}, t_n)}{k} = \frac {1}{2\alpha } \cdot \frac {1}{h} \left (\frac {p_h(x_{m+1}, t_n) - p_h(x_m, t_n)}{h} - \frac {p_h(x_m, t_n) - p_h(x_{m-1}, t_n)}{h}\right )\) aufgrund \(k = \alpha h^2\), man erhält also einen 2. zentralen Differenzenquotienten.

Sei \(p_h\) geeignet auf \(\Omega _T\) fortgesetzt (z. B. stückweise konstant/linear). Falls
\(p := \lim _{h \to 0} p_h \in \C ^2(\Omega _T)\) existiert, dann ist es plausibel anzunehmen, dass
\(\partial _t p(x, t) = \frac {1}{2\alpha } \partial _x^2 p(x, t)\) gilt, d. h. \(p\) erfüllt die Diffusionsgleichung.

Falls \(\int _\real p(x, 0)\dx = 1\) gilt, dann gilt wegen der Erhaltungseigenschaft der Diffusionsgleichung auch \(\int _\real p(x, t)\dx = 1\) für \(t \in (0, \infty )\), d. h. \(p(\cdot , t)\) ist eine Wahrscheinlichkeitsdichte.